Harte Grünen-Kritikerin

Warum Klimaschutz in Deutschland als ein linkes politisches Anliegen missverstanden wurde: Luisa Neubauer wird auf dem taz lab 2021dabei sein

„Es sind die Defizite Grüner Parteipolitik, die Fridays for Future notwendig gemacht haben“

Von Peter Unfried

Manche Politiker und Politik-Kommentatoren sehen oder framen Luisa Neubauer am liebsten als U-Boot der Grünen. Die Fridays-for-Future-Initiatorin wolle doch die Klima­krise politisch angehen, die Grünen ja wohl auch. Außerdem sei sie doch Mitglied der Partei (was definitiv stimmt). Also, alles klar?

Sie und auch manche Grüne werden sich gewaltig wundern, wenn sie Neubauers Essay in der neuen Ausgabe von taz FUTURZWEI lesen. Da kritisiert sie die Grünen dafür, dass sie Klimapolitik zu lange als Minderheitenprojekt betrieben hätten. „Es sind die Defizite Grüner Parteipolitik, die Fridays for Future notwendig gemacht haben“, schreibt sie. Und weiter: „Die Zuschreibung als Ökopartei hat sie groß gemacht, fair enough, nur haben sie es verpasst, rechtzeitig Mehrheiten für die Sache zu gewinnen, statt ihr Label zu polieren.“ Das ist auch ein Grund, warum sich ihre Parteimitgliedschaft für sie „verquer“ anfühlt.

Überhaupt sei es der zentrale Fehler der Deutschen gewesen, Klimaschutz als ein linkes politisches Anliegen misszuverstehen: „Man hat die Frage des Klimaschutzes an die ökologische Linke ausgesourct. Damit hat man der Klimakrise in der politischen Arena einen Rang zugeordnet. Das ist realitätsfern, denn sie flutet offensichtlich das ganze Stadion“. Soll heißen, es ist eine existenzielle Frage, die alle betrifft und für die alle Parteien zuständig sein müssen – wie für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den ersten 75 Jahren der Bundesrepublik.

Wie hat sie das gemacht?

Durch die Zuordnung im alten Links-rechts-Denken ist aber der Eindruck entstanden, es sei „Linksideologie“, wie Unions- und FDP-Politiker gern sagen. Während ironischerweise Vertreter der beiden sozialdemokratischen Parteien Klimakrisenbewusstsein gern als moralischen Konsum von Besserverdienenden missverstehen. Etwas, das man sich leisten können müsse. So hatten sich alle Parteien mit jeweils anderen Rollen nachhaltig in der Nichtnachhaltigkeit eingerichtet. Bis Greta Thunberg, Neubauer und FFF kamen. Über ihre These, die Klimakrise sei „am links-progressiven Rand marginalisiert worden“, die sie auch in ihrem Buch (mit Ale­xander Repenning) „Vom Ende der Klimakrise“ ausführt, wollte taz-Chefreporter Peter Unfried mit Neubauer beim tazlab 2020 diskutieren. Außerdem über die veränderte Strategie von Fridays for Future, nicht mehr nur auf Massen auf der Straße zu setzen, sondern neben der Politik nun die Industrie und Finanzindustrie in den Fokus zu rücken. Das Gespräch ist nun für 2021 vereinbart.

Neubauer, 23, hat ihre Kritiker und Neiderinnen, das ist klar, aber mittlerweile eben auch globale Strahlkraft. Wie hat sie das gemacht? „Luisa“ ist eine politische Marke und Kraft geworden, die niemand mehr unterschätzen darf. Sie steht nicht nur für die Gleichstellungsansprüche von Minderheiten, sondern für die Ansprüche einer bisher schweigenden Mehrheit. Jene der unter 40-Jährigen, die nicht mehr genügend abbekommen, wenn sie die Babyboomer nicht dazu bringen, etwas von den terrestrischen Ressourcen übrig zu lassen, bevor sie selbst zufrieden und fröhlich in die Kiste fahren.

Die neue Ausgabe von taz FUTURZWEI „Lechts oder rinks?“ mit dem Luisa Neubauer-Essay finden Sie auch online unter: tazfuturzwei.de