Alles ist möglich

Der US-Profisport stellt seinen Betrieb ein. Die Zukunft ist völlig ungewiss. Nur ein paar Mixed-Martial-Arts-Kämpfer wollen sich partout weiter schlagen

Geläutert: Rudy Gobert von den Utah Jazz machte sich erst über das Coronavirus lustig, wurde dann positiv getestet Foto: imago/ZUMA Press

Von Thomas Winkler

Rudy Gobert ist endlich angemessen zerknirscht. „Ich wünschte, ich hätte dieses Ding ernster genommen“, verkündete der französische Basketballnationalspieler in einer Videobotschaft. Das „Ding“ ist das Virus mit dem Namen SARS-CoV-2, und Gobert ist vielleicht nicht der Grund, aber der Anlass, warum die NBA-Saison vorerst ausgesetzt wurde. Vergangene Woche diskutierte die Liga-Leitung gerade, wie sie mit der heraufziehenden Corona-Krise umgehen sollte, ob die Spiele womöglich ohne Publikum stattfinden sollten, als die Meldung kam, dass der Center der Utah Jazz positiv getestet worden war.

Ausgerechnet Gobert: Hatte der 27-Jährige sich doch zwei Tage zuvor noch über die Virushysterie lustig gemacht und bei einer Pressekonferenz demonstrativ alle verfügbaren Mikrofone betatscht. Nach seinem positiven Test kamen denn auch Meldungen aus der Kabine der Utah Jazz, dass Gobert dort nicht gerade hygienisch vorbildlich agiert hätte. Folgerichtig wurde sein Teamkollege Donovan Mitchell zum zweiten Corona-Fall in der NBA. Mittlerweile hat sich ein dritter Profi das Virus eingefangen, ein Spieler der Detroit Pistons, die kurz zuvor gegen Goberts Jazz gespielt hatten – und auch ein Fan, dem Gobert ein Autogramm gegeben hatte. Der geläuterte Franzose hat nun 700.000 Dollar für Corona-Opfer gespendet und empfiehlt über Twitter: „Immer schön die Hände waschen mit Seife und Wasser.“

Die NBA ist natürlich nicht die einzige Liga, die den Betrieb eingestellt hat. Die für Seuchenkontrolle und -prävention zuständige Behörde hat empfohlen, bis Mitte Mai keine Sportveranstaltungen mehr durchzuführen, einzelne Bundesstaaten haben bereits Verbote erlassen. Das Kentucky Derby soll verlegt werden, Golf-Turniere suchen nach neuen Terminen, und die Baseball-Vorbereitung, das sogenannte „Spring Training“, ist abgesagt. Auch die NHL pausiert. Das ist besonders unglücklich für Leon Draisaitl, der die Scorerliste mit weitem Abstand anführte und als heißer Kandidat für die Auszeichnung als wertvollster Spieler gehandelt wurde.

Sowohl NHL als auch NBA hoffen, den Spielbetrieb im besten Fall ab Mitte Juni fortsetzen zu können, und denken über verschiedene Szenarien nach: mit oder ohne Zuschauer; Ausfall der restlichen Saisonspiele; verkürzte Playoffs; Spiele in Trainingshallen, um wenigstens die TV-Einnahmen nicht zu verlieren; Absage der kompletten Saison – alles ist möglich.

Definitiv abgesagt ist das größte US-Sportereignis dieser Tage, die K.-o.-Runde der College-Basketball-Meisterschaft. Die „March Madness“ hätte drei Wochen lang die größten Arenen des Landes und die Kassen der Universitäten gefüllt. Insbesondere betroffen sind jene Studentensportler, die im letzten Uni-Jahr sind: Ihr großer Auftritt vor einem landesweiten Publikum, für die allermeisten die größte Stunde ihrer Sportkarriere, fällt nun aus. Der Universitätssportverband NCAA denkt deshalb darüber nach, solchen Athleten – nicht nur im Basketball, sondern auch in den anderen Sportarten – ein weiteres Jahr als Collegesportler zu erlauben.

Nur ein Sport-Entertainment-Unternehmen in den USA weigert sich weiter standhaft, die Realitäten anzuerkennen. Ein paar harte Jungs von der Mixed-Martial-Arts-Truppe UFC wollen sich partout weiter die Nasen blutig schlagen. UFC-Boss Dana White ließ über Twitter wissen, er „kümmere sich einen Scheiß um das Corona­virus“. Der für Samstag in London angesetzte Kampfabend sollte erst einmal in die USA verlegt werden, bevor die meisten Kämpfer absagten und schließlich deshalb auch die Veranstaltung erst einmal verschoben wurde. Nun denkt White laut darüber nach, kommende UFC-Events im eigenen Trainingskomplex in Las Vegas über die Bühne gehen zu lassen, immerhin ohne Publikum. Jetzt muss er nur noch Kämpfer finden, die sich in diesen Tagen in den schweißträchtigen Infight mit Kollegen begeben wollen. Dana White nimmt das Virus offensichtlich ebenso wenig ernst wie einer seiner besten Freunde, ein gewisser Donald Trump.