: Absagen kann so schön sein
Im Wandel, mittendrin (X): taz-lab-Redakteur Anselm Denfeld findet das Positive in der Veränderung
Anselm Denfeld hat die letzten zwei Monate im Inhaltsteam auf das taz lab hingearbeitet.
Wann haben Sie sich das letzte Mal so richtig über eine Absage gefreut? Damals in der Schule, als wegen Hitzefrei der Unterricht ausgefallen ist? Oder neulich, samstagabends, als die Party, auf die sie sowieso nicht gehen wollten, abgesagt wurde?
Nachdem wir seit Monaten fieberhaft daran gearbeitet haben, müssen wir, das taz-lab-Team, die Veranstaltung absagen – zumindest für dieses Jahr. Es fällt uns nicht leicht, aber wir wollen deswegen nicht traurig sein. Denn jeder Absage wohnt ein Zauber inne.
Ein Projekt anfangen kann jede:r. Und dann entfaltet sich der Sog aus Verpflichtungen, Verbesserungen und Ideen, die das taz lab Stück für Stück verbessern. Der große Veranstaltungstag, wenn mensch fertig sein muss, kommt, und dann wird präsentiert und gefeiert, was bis dahin geschafft wurde. Das wäre das diesjährige taz lab gewesen – ein „normales“ lab, wie es schon über zehnmal stattgefunden hat. Dieser Prozess wird zwar erst mal ausgesetzt, sein Ende aber auch nur auf das nächste Jahr verschoben.
Neben der Wehmut fühlen wir noch etwas anderes. Die Netzaffineren von uns würden sagen, wir baden uns in JOMO (joy of missing out), also der Freude daran, etwas zu verpassen. Das Wort wurde als Gegenentwurf zur fear of missing out entworfen, welche die ständige Verfügbarkeit durch digitale Technologien vermitteln kann. JOMO bedeutet, das Richtige zu tun, das, was eine:m gut und notwendig erscheint, statt sich einer vermeintlich zwingenden Verpflichtung hinzugeben.
Das Coronavirus hat eine ganz neue Situation geschaffen, wegen der wir guten Gewissens das taz lab auf nächstes Jahr verschieben. Damit werden die vulnerablen Menschen unserer Gesellschaft geschützt. Klar, an einem schönen Tag im April mit über 2.000 Menschen im Besselkiez über Change zu diskutieren wäre großartig gewesen. Wir hören vielleicht nicht auf, wenn es am schönsten ist, aber machen eine Absage, die Leben retten kann. Was gibt es Schöneres?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen