Kritik an Werbebroschüre: Gut gemeint, aber klischeehaft
Die Koordinationsstelle Sprache des Landes Bremen muss sich nach der Herausgabe einer Werbebroschüre mit Rassismusvorwürfen auseinandersetzen.
Die Broschüre „Gerüchte über Deutschkurse“ sollte geflüchtete Menschen unter 27 Jahren dazu motivieren, sich für Deutschkurse anzumelden. Das Problem an den fünf Illustrationen und kurzen Texten ist, dass Sie sich rassistisch interpretieren lassen. Das sieht auch der Pressesprecher Stührenberg so. Da wurde getextet: „Bringt nichts… sich für 1.000 Euro ein B1 Zertifikat zu kaufen. Davon kann man kein Deutsch sprechen und es fliegt auf!“
Die Behörde reagiert nun: Es soll ein interner Reflexionsprozess stattfinden, an dem laut Senatorin neben der betroffenen Einrichtung auch der Bremer Rat für Integration, die Stelle für Antidiskriminierung in der Arbeitswelt (ADA) und Flüchtlingsorganisationen beteiligt sein werden.
Es werde darum gehen, wie man „solche Kommunikationsmaßnahmen verbessern kann“, sagt Behördensprecher Stührenberg. Dazu gehöre es nachzuvollziehen, wie die Broschüre erarbeitet wurde und was dabei schief gelaufen sei.
Die ADA hat gerade erst davon erfahren, dass sie sich an dieser Diskussion beteiligen soll. Nach einem ersten Blick auf die Broschüre sagte die Sprecherin Aretta Mbaruk: „Die dargestellte Form impliziert, dass diejenigen, die noch nicht das geeignete Kursangebot gefunden haben, entweder dumm, kriminell oder faul sind.“ Diese Annahmen seien Bestandteil rassistischer Stereotype und sollten in Broschüren generell vermieden werden.
Kai Stührenberg, Pressesprecher
Tragik verleiht dem Ganzen die Tatsache, dass die verantwortlichen Personen eigentlich über die entsprechenden Kompetenzen verfügen und laut Stührenberg aus persönlichem Engagement mit geflüchteten Menschen arbeiten. „Es ist nicht legitim, diesen Leuten, die seit langem dort arbeiten, Rassismus vorzuwerfen“, sagt er. Hinzu komme, dass anscheinend sogar Geflüchtete an der Erarbeitung beteiligt waren.
Sich der Frage zu stellen, ob man unbewusst rassistische Vorurteile verbreitet, ist unangenehm. Gerade Menschen, die sich aufgrund ihrer Arbeit mit Diskriminierungen auseinandersetzen müssen, kann dieser Vorwurf hart treffen. Trotzdem ist es wichtig zu hinterfragen, wie diese Broschüre entstanden ist, die aus vielen Gründen irritiert.
Sie wurde auf Deutsch verfasst, anstatt in Sprachen der Herkunftsländer. Sie arbeiten mit Ironie, die für Nicht-Muttersprachler*innen schwer zu erfassen ist. Sie stellt Menschen dar, die rein äußerlich nicht viel mit den Menschen gemein haben dürften, die die Broschüre adressieren will.
Die Broschüre habe mit Gerüchten aufräumen wollen
Dabei war das Motiv für die Broschüre ursprünglich, Geflüchteten zu helfen. „Es handelt sich nach Angaben der Koordinierungsstelle um reale, unter Geflüchteten kommunizierte ‚Gerüchte‘ oder Missverständnisse“, sagt der Pressesprecher der Senatorin. Mit diesen Falschinformationen sollte aufgeräumt werden.
Um welche Gerüchte es sich handelt, wird aus der Broschüre nicht deutlich. Ein Bild zeigt einen Mann, der vor einem Test sitzt und fragend die Hände hebt. Neben seinem Kopf steht ein Fragezeichen und ihm gegenüber steht eine Lehrerin die ihn mahnend ansieht. Daneben der Text: „Bringt nichts... sich dumm zu stellen beim Einstufungstest, um von vorne anzufangen. Verschwendet nicht eure Zeit, stellt euch nicht dumm!“ Mit welchem Gerücht hier aufgeräumt werden soll, ist unklar.
Es gibt vieles in der Broschüre, das sich nicht selbst erklärt, und missverständliche Formulierungen wie „Gerüchte“ tragen zur Verwirrung bei. Was genau besser zu machen wäre, will Senatorin Vogt mit den Beteiligten besprechen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen