die woche in berlin
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Diese Entscheidung ist klar: Den Zuschlag für die Internationale Automobilausstellung bekam München, nicht Berlin. Dort wiederum ist die Ankunft des Coronavirus amtlich. Aber was heißt das für das eigene Verhalten? Und im Fall des Mannes von Familienministerin Franziska Giffey, der seinen Beamtenjob verlor, sind sowieso viele Fragen offen

Kein Ort für Traum von einer neuen Mobilität

Die Entscheidung bei der IAA: Es wird München, nicht Berlin

Schade. Sehr schade. Was hätte das für eine Kombination sein können: Die Internationale Automobilausstellung, kurz IAA, in neuer Form in der Berliner City und am östlichen Stadtrand das neue Epizen­trum der Elektromobilität, die Tesla-Fa­brik in Grünheide. Dienstagabend war der Traum ausgeträumt: Die IAA zieht von Frankfurt am Main nach München, nicht nach Berlin.

Dass die Vision nicht Wirklichkeit geworden ist, mag an vielem liegen: an alten Zöpfen beim Veranstalter, dem Verband der Automobilindustrie, dem VDA, an besseren Verbindungen Münchens über den ortsansässigen BMW-Konzern, an Millionen, die München angeblich für die Messe lockermachen will.

Dass es nicht klappte, dürfte aber mutmaßlich auch daran gelegen haben, dass dem VDA eine Berliner Bewerbung vorlag, die gar nicht alle dortigen Regierungsparteien mittrugen. Am 9. Dezember hatte sich der Landesparteitag der Grünen klar positioniert, wenn auch mit knapper Mehrheit: Keine Bewerbung für die IAA!

Da mochten führende grüne Köpfe aus Fraktion und Partei noch so sehr argumentieren, man könne die IAA als Plattform für Mobilität der Zukunft nutzen und nicht länger als Bolidenschau mit Frauen auf dem Kühler – eine Mehrheit wollte einfach nur ein Signal gegen das Auto an und für sich und desavouierte dabei die eigene Wirtschaftssenatorin Ramona Pop.

Fast hätte sich beim selben Parteitag auch ein Antrag der Grünen Jugend durchgesetzt, bis 2030 jeglichen Individualverkehr – egal ob mit Verbrennungs- oder Elektromotor – aus Berlin zu verbannen. Mag ein Autolobbyverband sich auf so eine Stadt einlassen? Es überrascht schon, dass es unter diesen Umständen Berlin überhaupt neben Hamburg unter die letzten drei Bewerber schaffte.

Natürlich ist Elektromobilität nicht der Weisheit letzter Schluss, natürlich ist das Thema Batterie ein schwieriges, natürlich muss auch dieser Strom irgendwoher kommen, natürlich wäre es besser, wenn Tesla seine Elektromotoren in weniger wuchtige und energiefressende Autos stecken würde. Wäre schön, ist aber erst mal nicht so. Und gerade auch für die Suche nach neuen, ökologischeren Antriebsformen hätte die IAA ein Forum sein können.

Wobei es natürlich auch jene gibt, die komplett bestreiten, dass es überhaupt Autoverkehr jenseits von Bussen braucht. Das mag stimmen, wenn man in Kreuzberg wohnt und zur nächsten Bushaltestelle nur ein paar Minuten und zur U-Bahn bloß wenig mehr braucht. Wer aber beispielsweise von Jütchendorf aus, kaum 30 Kilometer südlich von Berlin, Brötchen in einem der wenigen Nachbarorte holen will, die noch eine Bäckerei haben, und dummerweise körperlich nicht so fit ist wie die sonntags zu Dutzenden vorbeiflitzenden Rennradler, der hat eben keinen Bus vor der Nase. Und wird ihn auch trotz neuer grüner Kenia-Regierungsbeteiligung in Brandenburg so schnell nicht haben.

Das kann man in der Berliner Innenstadtblase ignorieren. Man kann aber auch über den eigenen Horizont hinausdenken. Eine IAA neuen Zuschnitts hätte dafür die Möglichkeit geboten. Schade. Stefan Alberti

Natürlich wäre es besser, wenn Tesla seine Elektromotoren in weniger wuchtige und energiefressende Autos stecken würde. Wäre schön, ist aber erst mal nicht so

Stefan Alberti über die Automobilausstellung, die nicht nach Berlin kommt

Auf jeden Fall erst mal Hände waschen

Das Virus ist angekommen. Das wenigstens ist gewiss

Einen Wochenkommentar zu Corona schreiben – seid ihr wahnsinnig?! In einer Zeit, in der sich alles – Nachrichten, Einstellungen, Ängste inklusive – alle paar Stunden ändert! Das Virus reist gern, sagt ein Experte. Vor einer Woche ist es in Berlin angekommen. Zumindest gibt es seitdem bestätigte Fälle. Wie viele es jetzt gerade in diesem Moment genau sind, versucht die Chefin vom Dienst zu erfahren, sie will es in die Zeitung von morgen schrei­ben. Ha, ha.

Trauen wir uns ernsthaft Witze zu machen? Oder lachen dann an unserem Krankenbett diejenigen über uns, die sich beim Preppen die letzten Atemmasken und Desinfektionsmittel der Stadt gegrapscht haben? Gibt gar keine Lieferengpässe, das wird auch gesagt über Klopapier. Dennoch leere Regale und Meldungen aus Australien, wo die Feuerwehr heroisch das rare Gut verteidigt.

Lassen wir doch diese alberne Panikmache vor dem großen Ausverkauf. Oder können wir uns auch darauf nicht einigen? Nicht einmal mit uns selbst? Schnell noch ein paar Konserven – nur ein bisschen mehr als sonst – gekauft. Macht die beste Freundin auch, und die Nachbarin, und die Kollegin, die raucht und ohne Helm Fahrrad fährt. Steht außerdem auch auf der Seite des Bundesamts für Katastrophenhilfe. So ganz allgemein, für alle Lebenslagen.

Corona teile uns ganz neu ein, sagt die Kollegin. „Nicht rassistisch nach Herkunft, Religion und so weiter – das Virus ist nicht rassistisch! Sondern nach Zynikern, Hysterikern, Gelassenen …“ Wenn es nur so leicht wäre, sich einer dieser Gruppen zugehörig zu fühlen. Wenn das eigene Gefühl dazu nicht genauso schwanken würde wie die Nachrichtenlage.

Versuchen wir es noch einmal mit den Ex­pert:innen: Das individuelle Risiko ist vernachlässigbar, sagen die meisten. Zumindest für die von uns, die unter 50 und frei von Vorerkrankungen sind. Ist das also der objektive Kreidestrich zwischen denen, die Panik schieben, und denen, die Gelassenheit walten lassen sollen? Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, schließt der 49-Jährige messerscharf in seinem Grabe.

Geh dir erst mal die Hände waschen, sagen wir den Kindern. Die Kolleg:innen sagen es auch. Das kann auf keinen Fall schaden. Richtig ordentlich, ja auch zwischen den Fingern und die Handgelenke. Nicht an der Seife sparen. Solange es noch welche gibt. Oder ist das wieder … Warten wir doch lieber auf die nächsten Nachrichten. Manuela Heim

die drei

Viele Fragen
sind
noch offen

Mann von Ministerin Giffey verliert Beamtenstatus

Karsten Giffey hat nicht nur eine Dienstreise falsch abgerechnet. Das geht aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin hervor, über das zuerst der Tagesspiegel am Dienstag berichtet hat. Neben der falsch abgerechneten Reise fehlte der verbeamtete Tierarzt beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) im Jahr 2016 54 Mal unentschuldigt im Dienst. Grund waren Vorträge und Seminare, die er als Nebentätigkeiten nicht angezeigt hatte. Wegen dieser Vergehen hatte das Gericht bereits im Dezember 2019 entschieden, dass Giffey aus dem Beamtenverhältnis entfernt wird.

Brisant ist der Fall nicht nur deshalb, weil Karsten Giffey der Ehemann von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey ist. Im Mai will Giffey mit Frak­tionschef Raed Saleh für den Landesvorsitz der Berliner SPD kandidieren – der erste Schritt zur Spitzenkandidatur für die Abgeordnetenhauswahlen im Herbst 2021. Allerdings hat Franziska Giffey bislang alle Anfragen zum Thema mit dem Hinweis auf private Angelegenheiten unbeantwortet gelassen.

Brisant ist der Fall aber auch, weil aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts offenbar hervorgeht, dass die verantwortliche Senatorin Elke Breitenbach (Linke) sich für ein mildes Urteil für Karsten Giffey eingesetzt hat.

Laut Tagesspiegel hatte Giffeys Vorgesetzter Ende 2016 bemerkt, dass dieser ohne Genehmigung Nebenjobs nachging. Breitenbach, deren Senatsverwaltung für das Lageso zuständig ist, habe daraufhin im März 2017 ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Knapp ein Jahr später stellten die Ermittler laut Urteil des Gerichts fest, dass Giffey „die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nahezu endgültig zerstört habe und die Verhängung der Höchstmaßnahme nicht unverhältnismäßig wäre“.

Anstatt aber Giffey aus dem Beamtenverhältnis zu entlassen, habe Breitenbach einen neuen Ermittler eingesetzt. Das Ergebnis: Giffey sollte nicht mehr entlassen, sondern nur noch zurückgestuft werden.

Ist aus der Causa Giffey nun also eine Causa Breitenbach geworden? Das wird sich zeigen. Inzwischen gibt es Anzeigen gegen Breitenbach wegen Strafvereitelung. Sie liegen bei der Staatsanwaltschaft, die entscheiden muss, ob es zu einem Ermittlungsverfahren kommt.

Interessant ist aber auch, dass Karsten Giffey laut Tagesspiegel versuchen wollte, das Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, nicht zu veröffentlichen – angeblich, um seiner Frau nicht zu schaden.

Sollte dies zutreffen, hätte Karsten Giffey, anders als seine Frau, indirekt eingeräumt, dass sein Fehlverhalten doch politische Nachteile für seine Ehefrau haben könne. Der bloße Hinweis auf private Angelegenheiten würde da einen seltsamen Beigeschmack haben.

Aber selbst wenn Giffey damit ein weiteres Mal durchkäme: Eine Hoffnungsträgerin ist sie offenbar in den Augen der Wählerinnen und Wähler nicht mehr. Laut der letzten Forsa-Umfrage liegt die SPD bei 15 Prozent. Der Giffey-Effekt blieb bisher aus. Uwe Rada

berichtigung
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In der taz vom 7. März 2020 haben wir mit Hinweis auf Recherchen eines anderen Mediums geschrieben, dass Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) einen neuen Ermittler im Fall von Karsten Giffey – dem Ehemann von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) – eingesetzt habe, um dessen Entfernung aus dem Beamtendienst zu verhindern. Dies entspricht nicht den Tatsachen. Wie Breitenbach der taz mitteilte, habe sie keinen neuen Ermittler eingesetzt. Damit gibt es auch keinen Grund für die Vermutung, Breitenbach selbst habe sich für ein milderes Urteil für Giffey als die Entfernung aus dem Dienst eingesetzt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen. (taz)