: Über den Hund an den Menschen
HundeDoc versorgt die Tiere von Straßenkindern. So kommen Sozialarbeiter in Kontakt mit den Jugendlichen. Doch dem vom Arbeitskreis City-Bahnhöfe gestarteten Erfolgsprojekt fehlt nun ein Sponsor. Zum Jahresende droht das Aus
Auch in Berlin gehören obdachlose Kinder und Jugendliche zum gewohnten Bild – Hilfsangeboten begegnen die jungen Menschen allerdings oft ablehnend. Bei dem Projekt HundeDoc stehen die Tiere der Straßenkids im Vordergrund, aber gleichzeitig gewinnen Sozialarbeiter das Vertrauen der Halter. Über das Tier an den Mensch, heißt die Devise. Die Versorgung der Hunde bringt außerdem eine erhöhte Sicherheit für Passanten an öffentlichen Plätzen und Bahnhöfen – die oft Treffpunkt der Straßenkinder sind – mit sich. Doch einer der beiden Sponsoren ist abgesprungen, das Projekt ist gefährdet.
Die Idee für HundeDoc hatte der Arbeitskreis City-Bahnhöfe, der aus Vertretern von Polizei, Bundesgrenzschutz, S-Bahn Berlin GmbH und sozialen Einrichtungen besteht. Die sahen die Sicherheit an S-Bahnhöfen durch frei herumlaufende Hunde eingeschränkt. Weil die Tiere meist zu obdachlosen Kindern und Jugendlichen gehören, sind sie in aller Regel nicht einmal gegen Tollwut geimpft – eine Gefahr für alle S-Bahn-Nutzer. HundeDoc sollte Abhilfe versprechen.
Auf der Suche nach Sponsoren wandte sich die S-Bahn zuerst an die beiden Unternehmen Dussmann und B.O.S.S., die sie mit der Sicherheit an ihren Bahnhöfen beauftragt hatte. Beide sahen das Sponsoring als Chance und sagten zu. Träger des Projektes ist die Stiftung Sozialpädagogisches Institut Berlin (SPI).
Doch Ende 2004 musste die S-Bahn, eine Tochter der Bahn AG, einen Teil der privaten Sicherheitskräfte durch Mitarbeiter der Deutschen Bahn ersetzen. B.O.S.S. wurde der Auftrag entzogen. Das Unternehmen stellte daraufhin sein Sponsoring ein. Damit fehlten HundeDoc zwar nur bescheidene 13.000 Euro – doch das sind 40 Prozent des Jahresbudgets. Zwar hat seit Mai der Europäische Tier- und Naturschutz-Verein den Fehlbetrag übernommen, allerdings nur bis Ende des Jahres.
Dabei ist HundeDoc ein Erfolgsprojekt. Egal ob Tier, Jugendlicher, Sozialarbeiter, Polizist, Passant, Sicherheitsfirma- oder Bahnhofsmitarbeiter, „es profitieren einfach alle davon“, sagt Jeanette Klemmt, Tierärztin bei HundeDoc. Mit einem alten Krankenwagen fährt sie bei jedem der vier Kooperationspartner des Projekts einmal die Woche vor. Die Partner sind soziale Einrichtungen, die sich der Arbeit mit randständigen jungen Menschen verschrieben haben. Nur über die Einrichtungen bekommen die Jugendlichen mit ihren Tieren Zugang zum HundeDoc. So wird gleichzeitig der erste Kontakt zu Sozialarbeitern gewährleistet. Ein wichtiger Schritt, schließlich seien die meisten von ihnen „irgendwie von der Erwachsenenwelt enttäuscht worden“, erklärt André Vick, Streetworker bei Karuna e. V. Dieser Verein kümmert sich um suchtgefährdete Kinder und Jugendliche und ist einer der HundeDoc-Partner.
Der Grundversorgung der Tiere schließen sich häufig Folgetermine an. So bleibt der neu gewonnene Kontakt bestehen. Für die Jugendlichen, die fern jeglicher Kontinuität leben, ist diese Situation neu. Plötzlich müssen sie Absprachen einhalten. Und wenn Tierärztin Klemmt wegen eines komplizierten Eingriffs an einen Kollegen verweisen muss, dessen Hilfe kostenpflichtig ist, müssen sie sogar Geld auftreiben. „Wie bringen sie dazu, Verantwortung zu übernehmen“, sagt Klemmt. Wenn schon nicht für sich, dann doch wenigstens für den besten Freund. Streetworker Vick ist sich sicher, dass dies letztlich auch die Eigenverantwortung der Kinder und Jugendlichen positiv beeinflusst.
Eine Einschränkung der momentanigen 20-Stunden-Stelle mache keinen Sinn, erklärt Tierärztin Klemmt. „Im Schnitt habe ich 30 bis 40 Klienten die Woche“, schon jetzt lasse sich das kaum bewältigen. Sollte sich bis Anfang 2006 kein anderer Sponsor gefunden haben, wird sich HundeDoc nicht mehr finanzieren lassen. KARSTEN SCHÜLE
Infos im Internet unter: www.stiftung-spi.de/sozraum/sr_hunde.html
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