Lars Penning
Filme aus dem Archiv –
frisch gesichtet
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Eine Geschichte, basierend auf einer „tatsächlichen Lüge“, heißt es im Vorspann: Billi ist dreißig und lebt in New York, wohin ihre Eltern vor 25 Jahren mit ihr aus China ausgewanderten. Als die Nachricht kommt, dass ihre in der alten Heimat verbliebene Oma Nai Nai an Lungenkrebs erkrankt ist, möchte die verstreute Familie nochmal zu einem großen Fest in China zusammenkommen. Allerdings will man Nai Nai ihre Krankheit verschweigen. „The Farewell“ der amerikanischen Regisseurin Lulu Wang beschäftigt sich mit den Folgen der Migration: Wie wirken sich Mentalitätsunterschiede aus, die verschiedenen Sprachen? Wang inszeniert diese Geschichte um kleine und große Unwahrheiten als Komödie, nimmt das Thema jedoch unbedingt ernst: „The Farewell“ erzählt von Traditionen und Wandel – und davon, wie Billi die Lebensweisheiten ihrer Oma eventuell in ihrem eigenen orientierungslosen Dasein anwenden könnte (OmU, 29. 2., 21 Uhr, 1.3., 16 Uhr, 3. 3., 17.30 Uhr, Sputnik Kino; 27.2., 2. 3.–4. 3., 14.45 Uhr, B-ware! Ladenkino).

Die Retrospektive der Berlinale ist in diesem Jahr dem amerikanischen Regisseur King Vidor gewidmet. Auch sein Film „The Wedding Night“ (1935) hat eine melodramatische Grundstruktur, doch die Geschichte um einen Schriftsteller, der sich auf dem Land in eine junge polnische Migrantin verliebt, die einem anderen versprochen ist, überzeugt insbesondere mit dem über weite Strecken leichten Komödienton (OF, 27. 2., 12 Uhr, CinemaxX 8; 28. 2., 22 Uhr, Zeughauskino).

Weit weniger freundlich kommt „The Lighthouse“ daher: ein filmischer Exzess, eine Studie von Delirium und Seemannsgarn, von Regisseur Robert Eggers gedreht in düster-kaltem Schwarz-Weiß. Ende des 19. Jahrhunderts kommen zwei Leuchtturmwärter auf eine abgelegene Insel vor der Küste von Maine: der alte Seebär Thomas Wake (Willem Dafoe) und sein neuer Gehilfe Ephraim Winslow (Robert Pattinson). Wake weist dem Neuen alle schweren und niederen Arbeiten zu, während er sich exklusiv um das Leuchtfeuer kümmert. Als ein Sturm aufzieht und die Männer womöglich für Wochen von der Zivilisation abschneidet, spitzten sich die Konflikte in dieser Welt ohne Privatsphäre zusehends zu. Man fühlt sich dabei an die verstörenden Filme von David Lynch erinnert (gerade auch dank eines nervbohrenden Soundtracks), vor allem aber ist „The Lighthouse“ eine schauspielerische Tour de Force: ebenso irritierend wie auf eine abgründige Weise komisch (OmU, 27. 2.–4. 3., 22.30 Uhr, Zukunft; 27. 2., 1.–4.3., 23 Uhr, B-ware! Ladenkino; 28.–29. 2., 2.–3. 3., 21.15 Uhr, 1. 3., 20.15 Uhr, 4.3., 22 Uhr, Moviemento).