Tschechiens Regierung in Erklärungsnot

Zwei Tage in Folge protestieren tausende in Prag gegen eine brutale Polizeiaktion am Wochenende bei einem Techno-Festival. Premier Paroubek rechtfertigt das Vorgehen. Staatschef Klaus nennt den Einsatz mit 150 Verletzten „einen groben Fehler“

AUS PRAG ULRIKE BRAUN

Es sollte das größte Technofestival Mitteleuropas werden. Es artete aus in den brutalsten Polizeieinsatz seit der „Samtenen Revolution“. Mit Wasserwerfern, Tränengas und Knüppeln verhinderte die tschechische Polizei am vergangenen Wochenende das traditionelle, halb legale Czechtek-Festival auf einem Feld in der westböhmischen Provinz. Fazit: Rund 150 Verletzte, Massendemonstrationen vor dem tschechischen Innenministerium und eine Exekutive in Erklärungsnot.

„Letztes Jahr entstanden Schäden von rund eineinhalb Millionen Kronen. Die Polizei muss handeln, falls das Gesetz gebrochen wird oder falls es gebrochen werden könnte“, begründete Innenminister Frantisek Bublan die Schlacht zwischen den Hundertschaften seiner Einsatztruppen und ein paar tausend junger Technofreaks aus ganz Europa. Die hätten sich „illegal auf Grundstücken aufgehalten, deren Besitzer Strafanzeige gestellt haben“, so Vizepolizeipräsident Vladislav Husak.

Allerdings hatten die Czechtek-Veranstalter das Feld, das als Veranstaltungsort dienen sollte, legal gemietet. Nur nicht die umliegenden Felder, und die wollte die Polizei angeblich schützen. In der Nacht zu Freitag hatte die Polizei eine Autobahnabfahrt gesperrt, um die Czechtek-Teilnehmer vom Veranstaltungsort fernzuhalten. Dass deswegen tschechische Bürger, zu deren Schutz die Polizei ja angeblich handelte, stundenlang bei Temperaturen von 36 Grad im Stau festsaßen, wurde den Technofans in die Schuhe geschoben, die angeblich besagte Ausfahrt besetzten.

„Das sind keine tanzenden Kinder, sondern gefährliche Leute“, meinte Ministerpräsident Jiri Paroubek. „Deren Kern bilden gefährlich besessene Leute mit anarchistischen Neigungen, die international vernetzt sind“, erklärte er gegenüber der Tageszeitung Lidove noviny. Sie wollen nicht nur Musik hören, so Paroubek, sondern sich dem Alkohol und Drogen hingeben, Aids und Hepatitis verbreiten und ihre Umgebung im Abfall versenken. Es sei klar, was Paroubek von seinem kürzlichen Staatsbesuch in China mitgebracht habe, witzelten Journalisten. Schon im Vorfeld hatte er einen massiven Einsatz gegen Czechtek gebilligt.

„Wir standen bei unserem Zelt, und sie kamen mit Wasserwerfern. Als ich hinfiel, haben sie sich auf mich geworfen. Sie sind mir auf die Hände getreten und haben mich mit Knüppeln geschlagen“, erzählt ein Czechtek-Teilnehmer. Ein weiterer war dabei, als die Polizei Rauchbomben in ein voll besetzes Auto warf. „Als wir ausgestiegen sind, haben sie angefangen, auf uns einzuprügeln“, sagt er.

Aus Protest gegen den Polizeieinsatz demonstrierten am Sonntag und Montag rund 5.000 Menschen vor dem Innenministerium in Prag. Unter den Demonstranten waren viele, die mit Techno nichts zu tun haben, sondern einfach nur entsetzt waren über die Brutalität der Polizeikräfte – unter anderem auch der frühere Präsident Vaclav Havel. Dessen Nachfolger, Vaclav Klaus, zeigt sich ebenfalls geschockt. Der Einsatz war ein „grober Fehler“, sagte Klaus.