die woche in berlin
: die woche in berlin

Zwei Wochen nach seinem Rücktritt als Hertha-Trainer hat Jürgen Klinsmann in dieser Woche noch einmal kräftig nachgetreten: Mit der derzeitigen Klubführung, so Klinsmann, sei eine richtig schöne Hertha einfach nicht zu machen. Bei der Berlinale dagegen hat man unter neuer Leitung so viel anders nicht gemacht, schließlich waren die Filmfestspiele auch vorher bereits schön. Und der Mietendeckel ist in Kraft.

Man schaut verzückt zuihr auf

Die Hertha idealerweise, ach, was für ein Traum …

Es gibt Menschen, die behaupten, Hertha BSC sei ein Fußballverein und spiele in der Bundesliga. Das ist falsch oder jedenfalls eine optische Täuschung.

Denn Hertha BSC ist vor allem eine Idee. Die Idee von einem Verein, wie er idealerweise in der bundesdeutschen Hauptstadt zu sein hat. Dieser Verein ist groß und bedeutend. Er misst sich auf einem Niveau mit dem FC Bayern und Borussia Dortmund. Er spielt jedes Jahr in der Champions League und gewinnt Pokale; selbst der FC Barcelona hat Respekt vor der Schlagkraft der Charlottenburger. Die ideale Hertha kann sich aussuchen, wen sie als Investor aus der langen Schlange der Interessenten herauspickt. Ihr Stadion, ein futuristischer Neubau auf dem Maifeld, ist an jedem Spieltag ausverkauft, und es besteht eine Direktverbindung von der Tesla-Arena zum BER.

Die Hertha spielt begeisternden Offensivfußball, was etliche Union-Fans zum Übertritt zu den Blau-Weißen verleitet hat, sie mischen sich unter die Hipster aus Neukölln, die Studenten aus Prenzlauer Berg und die Zugezogenen aus Schwaben. Sie alle haben ihre Liebe zur Hertha entdeckt. Ein Run auf die Tickets hat eingesetzt, Dauerkarten werden von einer Generation auf die nächste vererbt. Auf den Transparenten der Fans steht: „Im Herzen weht nur eins, unsere Fahne!“ Pep Guar­dio­la hospitiert regelmäßig im Berliner Westen, angeblich überlegt er sogar, künftig den Posten des Cheftrainers von Jürgen Klinsmann zu übernehmen, der als Chef-Disruptor den Weg bereitet hat für den Magier unter den Coaches. Klinsmann hatte zum Glück schon vor langer Zeit verstanden, worauf es in Berlin ankommt: die richtigen Ideen zum richtigen Zeitpunkt.

Nur so konnte aus der Hertha, die einst wie ein Untoter in Parvenüpolis umherwandelte, aus einer Hertha, die als Statist in einem dystopischen Fußballdrama verspottet wurde, ein dynamischer Big Player werden. Längst vergessen sind die überforderten Sachwalter des Elends wie Hertha-Manager Michael Preetz oder der Präsident Werner Gegenbauer, die schon zufrieden gewesen sein sollen, wenn diese angeblich real existierende Hertha mit 35 Punkten die Saison beschloss und knapp dem Abstieg entronnen war. Das zugige Stadion, nicht mehr als ein offener Führerbunker, soll fast nie ausverkauft gewesen sein, die Stimmung unterirdisch, die Stadionwurst lappig und sündhaft teuer, erzählt man sich im Darknet des Fußballs. All das hat die idea­le Hertha hinter sich gelassen. Sie steht als Aureole über der Stadt. Sie strahlt und glänzt. Man schaut verzückt zu ihr auf.

Und dann in die Abgründe der Realität. Markus Völker leibesübungen

Die richtigen Ideen zum richtigen Zeitpunkt. Nur so konnte aus der Hertha, die einst wie ein Untoter in Parvenüpolis umher­wandelte, ein dynamischer Big Player werden

Markus Volker über Hertha BSC und einen nun zerrupften Fußballtraum

Mehr Sterne am Potsdamer Platz

Die neue Berlinale ist die alte und noch ein bisschen dazu

Die einen werden sich freuen: Der neue Trailer ist der alte Trailer. Weiterhin bekommen alle Filme auf der Berlinale vorab den vertrauten Sternenregen mit dem altbekannten Groove in getragenem Tempo darunter verpasst. Ein paar mehr Sterne als früher sprühen aus dieser Bären-Supernova neuerdings heraus, ist schließlich ein Jubiläum, und damit das keiner übersieht, taucht aus dem Sternenstaub am Ende noch eine leinwandfüllende 70 auf.

Auch die neue Berlinale, die an diesem Sonntag wieder mit dem Publikumstag zu Ende geht, ist ein bisschen die alte. Was vielleicht nicht so sehr verwundert, eine neue Leitung krempelt ja nicht unbedingt zum Amtsantritt eine Großveranstaltung mit plus/minus 400 Filmen – in diesem Jahr bei 342 Filmen eher minus – einfach mal so komplett um. Will sagen: Das Kulinarische Kino, das jetzt weg ist, vermisst dem allgemeinen Dafürhalten nach keiner groß, das Hinzukommen der Sektion Encounters hingegen darf man begrüßen. Unter dieser Überschrift versammeln sich, soweit man sie neben dem Wettbewerb verfolgen konnte, sehenswerte Filme, der konsequente Tierfilm „Gunda“ ist nur einer davon. Ansonsten bleibt das Programm mit seinen bewährten Sektionen weitgehend wie gehabt.

Was definitiv weniger geworden ist, sind die Witze. Lustig war die Eröffnung der Berlinale in diesem Jahr denn auch eher nicht. Das lag vor allem an den Nachrichten des Tages, die Meldungen vom rechten Terroranschlag in Hanau hatten Entsetzen und Trauer hervorgerufen. Und die Kulturstaatsministerin Monika Grütters sagte den Satz: „Niemals darf es eine Zusammenarbeit mit diesen rassistischen und nationalistischen Kräften geben.“ Als sich das Publikum darauf, dem Vorbild der Schauspielerin Nina Petri folgend, spontan erhob, war dies einer der bewegendsten Momente der Berlinale.

Dass es weniger Witze gab, lag aber auch an der neuen Leitung aus Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian, die ihre Rolle, anders als ihr direkter Vorgänger Dieter Kosslick, nicht als Entertainer sehen. Und es lag am neuen Moderator Samuel Finzi, der Anke Engelke nicht in jeder Hinsicht zu ersetzen vermochte. Ein bisschen weniger „Glamour“ an dieser Stelle, muss man sagen.

Die Freude über die Filme jedoch, sie bleibt. Sie könnte sogar noch mehr werden. Langfristig gesehen.

Tim Caspar Boehmeberlinale 14–

Vermieter werben für Enteignungen

Der Mietendeckel ist in Kraft. Haus und Grund will schummeln

Der Vermieterverband Haus und Grund hat in dieser Woche kräftig Werbung für Enteignungen gemacht. Denn obwohl der Mietendeckel seit Sonntag offiziell in Kraft ist und das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg bereits eine Mieterhöhungen unter Berufung auf das neue Gesetz kassierte, raten die Lobbyist:innen von Haus und Grund ihren Mitgliedern, die geänderte Rechtslage in Mietverträgen einfach zu ignorieren. Relativ dreist sagte der Vorsitzende des Verbands, Carsten Brückner, dem RBB, dass es nun zwar verboten sei, eine bestimmte Miethöhe zu kassieren, nicht jedoch, sie in einen bestehenden oder neuen Vertrag zu schreiben.

Das Gesetz sieht laut Senat zwar vor, dass die gedeckelte Höhe im Vertrag steht, aber das ist Haus und Grund doch egal: Man sei zwar gezwungen, Mieter:innen innerhalb von zwei Monaten die nun zulässige Miethöhe mitzuteilen und auch nur diese zu kassieren. In neuen Mietverträgen könne man aber trotzdem eine höhere Miete eintragen, rät der Verband. So sei es möglich, diese zu verlangen, falls Klagen gegen Mietendeckel erfolgreich sein sollten oder wenn die Regulierung in fünf Jahren ausläuft.

Wer jetzt noch Mitleid mit den angeblich armen und gedeckelten Vermie­ter:innen empfindet, sollte vielleicht mal die Funktionsfähigkeit seines moralischen Kompasses untersuchen lassen. Zur Erinnerung: Der Mietendeckel ist nach eher schlecht als recht greifenden Groko-Mietpreisbremsen auf Bundesebene der erste härtere regulative Eingriff in die Preisentwicklung des Wohnungsmarkts auf Landesebene. Er wurde notwendig, nachdem Hausbesitzer:innen und Vermieter:innen über zehn Jahre lang die Preise explodierten ließen, Zehntausende Menschen aus ihren Kiezen verdrängten und mit Wohnraum und Flächen spekulierten. Auch unter dem Druck einer seit Jahren mobilisierenden Mieterbewegung hat sich der rot-rot-grüne Senat entschieden, endlich zu deckeln.

In Berlin dürfen für 5 Jahre keine Mieten erhöht werden, bestehende Wuchermieten müssen gesenkt werden, und bei Neuvermietung dürfen die Preise nicht über einem bestimmten Niveau liegen. Der Deckel gilt nicht für Neubau, aber für die 1,5 Millionen Mietwohnungen im Land. Nach Schätzungen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen zahlen in Berlin 340.000 Menschen zu hohe Mieten.

Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, veröffentlichte zum Inkrafttreten des Mietendeckels einen Appell: „Mieter und Mieterinnen sollten die Ansprüche aus dem neuen Landesgesetz nutzen, sich nicht einschüchtern lassen und den sicher massiv auftretenden Umgehungsversuchen der Vermieterschaft entgegentreten.“ Die Atempause sei vertretbar und gerecht, schließlich seien Vermietereinkünfte und Immobilienvermögen massiv gestiegen. Schon jetzt seien zahlreiche Versuche von Ver­mie­te­r:innen festzustellen, in neuen Mietverträgen Ansprüche aus dem Deckel auszuschließen oder bereits Mieten für die Zeit danach festzulegen: „Die meisten dieser Vertragsklauseln werden nach AGB-Recht unwirksam sein.“

Und für große Immobilienkonzerne steht bereits das nächste Problem vor der Tür: Die rechtliche Prüfung des Enteignungs-Volksbegehrens ist abgeschlossen. Nach interner Abstimmung will der Senat wohl auf die Volks-Ini zugehen. Vielleicht hat auch die Dreistigkeit von Haus & Grund ihren Teil dazu beige­tragen. Gareth Joswig