: Frühling im Winter
Von Waltraud Schwab
Einst war der Krokus Frühlingsbote,
war Glockenschlag nach dunkler Zeit,
war sehnsuchtsvolles Ausgelote
für Sinnlich- und für Zweisamkeit.
Wenn Krokusse den Kopf rausstreckten,
war neues Leben nicht mehr weit und
Anfang, Hoffnung, Aufbruch breit:
Die Augen blickten, Lippen schmeckten den Krokokuss der Frühlingszeit.
Doch jetzt, jetzt ist’s ein Wintergruß,
das Bild vom Glück vertan.
Viel schlimmer noch, der Krokus ist
nun Bild für den Zerstörungswahn,
mit dem der Mensch die Erde isst.
Der Krokus kann da nichts dafür.
Er blüht, wenn Kälte geht.
Ist es nicht kalt, dann blüht er früh’r,
verzaubert dort, wo er halt steht.
Das ist das Böse an der Zeit:
Dass selbst der Menschen Eitelkeit
und Ignoranz fürs eigne Tun
nun
noch belohnt wird
mit Schönheit.
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