Täter wollte
Aufmerksamkeit

Pflegehelfer muss fünf Jahre in Haft. Er spritzte Insulin ohne Not

„Die schnelle ärztliche Versorgung der Opfer war Teil des Plans“

Manfred Kelle, Vorsitzender Richter

Ein Pflegehelfer, der zwei wehrlosen Bewohnerinnen eines Bremer Pflegeheims ohne medizinische Notwendigkeit Insulin gespritzt hat, darf nach Verbüßen einer fünfjährigen Haftstrafe wieder in seinem Beruf arbeiten. Dieses Urteil fällte am Donnerstag das Landgericht Bremen. Die Staatsanwaltschaft hatte sieben Jahre Haft sowie ein lebenslanges Berufsverbot für den 40-Jährigen gefordert, die Verteidigung einen Freispruch.

Das Gericht legte zugunsten des Angeklagten aus, dass er sich um schnelle ärztliche Versorgung gekümmert hatte, nachdem eine der beiden Frauen, eine 75-jährige Schlaganfallpatientin, nach der Insulingabe anfing zu krampfen. Sie hatte in Lebensgefahr geschwebt. Die andere Frau, eine 92-Jährige, hatte die Insulingabe ohne größere Probleme verkraftet. Das Gericht hielt es für erwiesen, dass der Pflegehelfer den Stoff im Frühjahr 2019 gespritzt hatte, um Aufmerksamkeit zu erregen. „Die schnelle ärztliche Versorgung der Opfer war Teil des Plans“, so der Vorsitzende Richter Manfred Kelle.

Ein psychiatrisches Gutachten hatte ergeben, dass der Mann zur Tatzeit trotz einer instabilen Persönlichkeit steuerungsfähig gewesen war. Das Gericht würdigte in seiner Urteilsbegründung, dass er „unter schwierigen Umständen groß geworden“ sei. Im Prozess hatte er berichtet, dass ihm und seiner Schwester von ihrem Vater sexualisierte Gewalt angetan worden war.

Im Verfahren hatte auch ein Pfleger ausgesagt, der wie der Verurteilte als Leiharbeiter in dem Heim beschäftigt gewesen war. Er hatte mit ihm Dienst, als eins der Opfer ins Krankenhaus kam. Der Zeuge schilderte, er sei am Tattag als einzige examinierte Pflegekraft für zwei Etagen zuständig gewesen – ohne das Heim zu kennen oder eine Einweisung erhalten zu haben. Die Zustände dort, sagte er vor Gericht, seien „ein Durcheinander, das kann man nicht anders sagen: schlechte Organisation, zu wenig Personal, überforderte Mitarbeiter“. Eiken Bruhn