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Schrubben unter Deck

Ben Becker präsentierte am Montag bei einer öffentlichen Probe sein neues Soloprogramm „Affe“ im Admiralspalast

Von Katrin Bettina Müller

Ben Becker agiert im Dazwischen. Er tritt allein in den Häusern der leichten Muse auf, vor großem Publikum, wie im Admiralspalast und trägt Literatur hinein, „Geschenke“, wie er sagt, Texte zum Nachdenken. Er macht das mit dem Gestus eines Menschen, der außerhalb der üblichen Sparten im Kulturbetrieb steht und ganz für sich selbst, aus tiefem In-sich-Gehen, die Texte für sich entdeckt hat. Friedrich Engels zum Beispiel und Franz Kafka: Deren Texte „Anteil der Arbeit an der Menschwerdung der Affen“ (Engels, 1876) und „Bericht für eine Akademie“ (Kafka, 1917) bringt er in seinem neuen Programm „Affe“ zusammen. Am Montag war öffentliche Probe mit Publikum, jetzt folgen drei Premierenabende im Admiralspalast, ab Oktober tourt das Programm.

Beide Texte beschreiben eine Entwicklung vom Affen zum Menschen. Bei Engels geht es um die Evolution: Von der Affenhand, die Werkzeug benutzen lernt, über die Ausbildung der Sinne, der Sprache und des Gehirns bis hin zur Gesellschaft erzählt er eine Geschichte des Fortschritts. In Kafkas Geschichte hingegen ist die Leistung der Anpassung des Affen an die Menschen, ihre Nachahmung auch dort, wo sie ihn verspotten, von großer, nie ausgesprochener Trauer grundiert. Es spricht ein Affe, der sich aus dem Zustand der Gefangenschaft nur um den Preis der Selbstverleugnung bewegen konnte. Kafkas Text wird im Theater sehr oft interpretiert, teils um die Wildheit und den animalischen Rest unter der bürgerlichen Fassade hervorzukitzeln, teils um von den geforderten Anpassungsleistungen einen Blick auf die Zugehörigkeitsmodelle der Gegenwart zu werfen.

Die Präsentation von Ben Becker bleibt vielmehr bei der Literatur und der Sprache, es ist ein bewegter Monolog und Vortrag, gelegentlich von Musik unterstützt, der in der Hauptsache von der tiefen, rauen Stimme lebt. Man könnte die Augen schließen und glauben, spät in der Nacht vor einer Lesung aus dem Radio zu sitzen. Die Zurückhaltung ist das Dominante in dieser Performance, eine Zurückhaltung, unter der nicht einmal mehr in weiter Ferne Wildheit oder Lebensfreude hervorblitzen, sondern vielmehr ein Leergelaufensein, eine Auslöschung, die kaum Spuren hinterlassen hat.

Den Essay von Friedrich Engels nutzt Becker als Prolog, zuerst hört man seine Stimme aus dem Off und sieht auf einer Filmleinwand eine einsame Insel und einen Affen (beziehungsweise Menschen im Affenkostüm), der erst fortschwimmt, dann mit Werkzeugen zu hantieren beginnt und sich schließlich ein Segelboot baut. Eine Einstellung weiter fährt ein Tanker durch das Meer und Ben Becker taucht als die engen Flure schrubbender Underdog auf, noch immer mit ­Affenhänden und -füßen. Auf der Bühne spinnt er dann den Textfaden fort, der dann doch recht schnell zur ungerechten Aufteilung des erarbeiteten Reichtums und zum Klassenkampf springt. So gerne man der Stimme auch in Gedanken folgt, die Ankunft in der Gegenwart, die auf der Leinwand von einem Schwenk über den Hamburger Hafen unterstützt wird, nimmt einen nicht so ganz mit.

Verglichen mit dem, was das Theater bei Literaturinterpretationen an möglichen Kontexten auffährt und auffächert, wirkt dieser Vortrag eher verblüffend schlicht. Er lebt von der Glaubwürdigkeit und Autorität des Künstlers. Man muss ein Fan sein, damit das reicht.

Wieder im Admiralspalast am 19. und 20. Februar, jeweils 20 Uhr

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