„Ich bin auf gesunde Weise ambitioniert“

Heute startet die Fußball-Bundesliga in die neue Saison. Die taz spricht mit dem Trainer von Borussia Dortmund, Bert van Marwijk, über vergessene Spiele, Anstoßzeiten am Mittag, PR-Gags des BVB-Hauptaktionärs Florian Homm und den Unterschied zwischen deutschem und niederländischem Fußball

Wir können zwischen Platz 5 und 12 landen, intern gebe ich andere Ziele aus.

INTERVIEW: HOLGER PAULER
UND MARTIN TEIGELER

taz: Herr van Marwijk, Sie haben gesagt, die Testphase des BVB sei nicht ideal verlaufen. Was muss sich bis zum ersten Bundesliga-Spiel morgen in Wolfsburg noch verbessern?

Bert van Marwijk: Ich habe gesagt, dass wir eine gute Vorbereitung hatten, nur dass die Ergebnisse nicht alle glücklich waren.

Also sind Sie zufrieden.

Man hofft natürlich immer, dass die guten Trainingsleistungen der letzten fünf Wochen sich auch in den Ergebnissen der Testspiele widerspiegeln, andererseits gibt eine Vorbereitung mit vielen Siegen nicht automatisch Sicherheit.

Wie entscheidend war das Aus im Ui-Cup, gegen Olmütz?

Das habe ich schon vergessen, das muss ich auch vergessen. Es reicht, wenn mich die Zeitungen daran erinnern.

Wie sieht es bei den Spielern aus?

Ähnlich. Man darf nicht in der Vergangenheit leben, dann hat man keine Chance weiter zu kommen.

Was haben sie der Mannschaft als Ziel für die kommende Saison vorgegeben?

Ich habe der Öffentlichkeit gesagt, dass wir zwischen Platz fünf und zwölf landen können, intern gebe ich andere Ziele aus.

Der Hauptaktionär des BVB, Florian Homm, hat für jeden Spieler eine Meisterschaftsprämie in Höhe von eine Million Euro ausgelobt. Wie sehr beeinflussen derartige Aktionen Ihre Arbeit?

Uli Hoeneß hat die richtige Antwort gegeben. (Der Manager des FC Bayern München hat die Aktion kritisiert und als PR-Gag abgetan, Anm. d. Red.)

Ihre Spieler beeinflusst das nicht?

Wir haben darüber nicht gesprochen. Auf dem Platz denkt man nicht an Prämien. Ich habe das auch nie getan.

Der Dortmunder Kader ist relativ klein. Vor allem in der zweiten Reihe stehen viele junge Spieler. Wie riskant ist das?

Das kann ich nicht ändern. Wir haben eine junge Mannschaft mit Zukunft, natürlich ist unser Kader nicht sehr breit. Ich muss den jungen Leuten Zeit geben. Man weiß nie, wie sie sich verhalten werden. Die Mannschaft hat sehr viel Potenzial.

Macht es mehr Spaß mit den jungen Spielern zu arbeiten?

Ich habe Spaß mit allen Spielern. Schön ist, wenn man Spieler aus der eigenen Jugend an die erste Mannschaft heranführt. Das wollen alle Vereine. Der Schnitt ist ein Spieler in fünf Jahren. Durch unsere finanziellen Schwierigkeiten haben wir im vorigen Jahr mit Markus Brzenska und Marc-André Kruska zwei wichtige Spieler nach oben gebracht, wenn Nuri Sahin noch dazu kommt, wäre das für Dortmund sehr positiv.

Sahin ist erst 16 Jahre alt, er spielt zentral defensiv. Eine sehr anspruchsvolle Position. Wird er morgen in Wolfsburg Sebastian Kehl ersetzen?

Es besteht die Möglichkeit. Ich kenne Sahin seit März. Man muss immer vorsichtig sein, aber er bringt physisch und mental alles mit. Er ist ein ruhiger Junge. Wir gehen verantwortungsvoll mit ihm um. (Sahin wäre der jüngste Spieler in der Bundesligageschichte, Anm. d. Red.)

Stellen Sie den Kader allein zusammen oder hat BVB-Sportdirektor Michael Zorc großen Einfluss darauf?

Wir arbeiten gut zusammen. Ab März habe ich die Jugend mittrainieren lassen. Ich treffe die Entscheidungen.

Nach welchen Kriterien stellen Sie den Kader zusammen?

Es ist schwierig. Wir müssen vor allem versuchen, stabiler zu werden, natürlich spielen ältere Spieler eine entscheidende Rolle

Können Sie den Ausfall von Spielern wie Christian Wörns, Christoph Metzelder oder Jan Koller kompensieren?

Ich kann alle Spieler ersetzen, nur die Qualität leidet dann.

Obwohl es im letzten Jahr teilweise nicht sehr gut lief, haben die anfangs sehr kritischen Fans, das Team und auch Sie gefeiert. Waren Sie davon überrascht, zumal die Presse nicht gerade positiv war?

Das war wichtig. Das ist für alle positiv. Ich brauche im Verein, mit den Spielern und auch den Fans ein positives Gefühl. Der Respekt ist wichtig.

Nach Olmütz gab es bei den Fans, in den Internetforen auch andere Reaktionen.

Die Medien versuchen immer, dass Negative darzustellen. Ich habe davon nichts mitbekommen.

Sie waren zuvor Trainer bei Feyenoord Rotterdam. Kann man diesen Club mit Borussia Dortmund vergleichen?

Dort kamen 45.000 ins Stadion, hier 80.000. Von der Begeisterung ist es ähnlich.

Sie haben mit Feyenoord Rotterdam 2002 den Uefa-Cup gegen Dortmund gewonnen. Können Sie sich vorstellen, in Dortmund eine Mannschaft aufzubauen, die international konkurrenzfähig ist?

Man muss Realist sein. Wir alle wissen, wie schwierig es ist, hier in Dortmund. Ich bin ein Idealist und gleichzeitig ein Realist. Ich versuche auf dem Trainingsplatz das Team täglich zu verbessern. Das ist für mich das Wichtigste. Ich weiß auch, dass vor allem die Ergebnisse zählen. Aber ich kann von der Mannschaft nicht erwarten, dass wir demnächst die Champions-League gewinnen. Wenn man kein Geld hat, dauert alles länger. Wir können uns, auch wenn es den Fans weh tut, nicht mit Schalke vergleichen. Dort ist mehr Geld vorhanden.

Das BVB-Umfeld war lange von den Erfolgen in den 1990er Jahren verwöhnt. Sie haben es geschafft, das Publikum mit dem Erreichen des UI-Cups zu begeistern. Sollten sich andere Vereine daran orientieren?

Ich schaue nur auf uns. Dortmund bezahlt mich.

Wie würden Sie den Stellenwert von Dortmund im europäischen Europa einschätzen? Welches Feedback bekommen Sie aus Ihrem Heimatland?

In Holland wir meine Arbeit positiv betrachtet, vor allem weil wir in der vergangenen Saison von ganz unten zurückgekommen sind. Die Leute haben Respekt.

Auch vor dem deutschen Fußball im Allgemeinen?

Der deutsche Fußball hat einen hohen Stellenwert. Ich habe gesagt: In Holland haben wir eine gewisse Arroganz. Johan Cruyff meint auch, dass das zu uns gehört, man darf es aber nicht negativ interpretieren. Eine positive Form von Arroganz ist im Fußball wichtig. Es hat uns in Holland auch weiter geholfen. Manchmal denken wir aber auch zu schnell, dass wir alles richtig machen. Wir können auch von Deutschland und England lernen.

Was kann der holländische Fußball vom deutschen lernen?

Die Deutschen spielen, um zu gewinnen. Wir denken mehr an den schönen Fußball.

Käme die Position des niederländischen Bondscoach für Sie in Frage?

Da denke ich gar nicht daran. Ich bin auf eine gesunde Weise ambitioniert. Ich habe nie gedacht, als ich in Sittard trainiert habe, ich muss nach Feyenoord. In Feyenoord habe ich auch nie gesagt, ich muss zu Dortmund oder Bayern München. Es kommt wie es kommt. Die abgelaufene Saison war für mich schöner, als einen Titel zu gewinnen. Ich fühle mich hier wohl.

Auch im Fußball allgemein? Es wird gerade diskutiert die Anstoßzeiten auf 12 Uhr zu legen, um den Fußball für den asiatischen Markt zu öffnen.

Das ist nicht meine Uhrzeit. Fußball gehört in den Nachmittag oder in den Abend. Das ist mein Gefühl. Ich kann das alles nicht beeinflussen. Aber der Einfluss der Medien wird immer größer.

Verliert man nicht den Spaß am Fußball?

Noch habe ich Spaß. Wenn ich keinen Spaß mehr habe, dann höre ich auf.