Nachrücker kommt auf den Geschmack

taz geht wählen - die Serie zur Bundestagswahl am 18. September. Die 64 nordrhein-westfälischen Direktwahlkreise im Porträt. Wer kämpft um das Mandat? Wer sind die Außenseiter? Wer gewinnt? Heute: Kreis Aachen

Kreis Aachen?Der Wahlkreis 89 ist heterogen. Von Süden schlängelt er sich entlang der belgischen Grenze, dann östlich an Aachen vorbei und endet im Norden an der niederländischen Grenze. Während rund um den Nationalpark Eifel und Rursee Landwirtschaft und Tourismus anzutreffen sind, prägen die Mitte das wohlhabende Roetgen und Stolberg als Ex-Kupferstadt. Einen massiven Wandel musste der Norden stemmen: Die Montanindustrie ist am Ende, aber die Moderne will noch nicht überall sprießen. Bei der Bundestagswahl 2002 lag die Wahlbeteiligung bei stolzen 80,5 Prozent.Wer verteidigt den Wahlkreis?Achim Großmann (SPD). Der holt den Wahlkreis schon seit 1987 direkt. Noch besser schnitt er Anfang Juli bei der erneuten Nominierung als Direktkandidat ab. „Von den 84 stimmberechtigten Delegierten votierten in geheimer Wahl alle 84 für (...) Großmann“, schrieb die SPD-Ortsgruppe zum inneren SED-Abstimmungsverhalten. Der 58-Jährige ist Diplom-Psychologe und Vater zweier Söhne. Im Alter von 17 oder 18 Jahren, schreibt er auf seiner Homepage, sei er „politisch ‚wach‘ geworden“ und habe sich in der katholischen Kirche und im Sport engagiert. 1971 trat er mit 24 Jahren der SPD bei, war zwischen 1975 und 1998 Ratsmann in seiner Heimatstadt Würselen. Seit 1998 ist er Staatsekretär beim Bundesminister für Verkehr und Bauen.Wer will den Wahlkreis?Helmut Brandt (CDU). Ähnlich wie Großmann sitzt der schon im Bundestag. Der ehemalige Alsdorfer Bürgermeister und Kreistagsabgeordnete zog nämlich am 28. Juni nachträglich über die CDU-Reserveliste ins Parlament ein. Grund: der 54-Jährige rückte nach, da der NRW-Abgeordnete Karl-Josef Laumann zum Sozialminister im Rüttgers-Kabinett ernannt wurde. Viel hatte Brandt davon jedoch nicht, da Bundespräsident Horst Köhler Ende Juli das Parlament auflöste. Seine Parteikameraden hatten den Rechtsanwalt und Vater zweier erwachsener Kinder Ende Juni in einer Kampfabstimmung gegen zwei Mitbewerber zum Direktkandidaten gekürt.Der große Außenseiter?Nicht Direktkandidat Werner Krickel (Grüne) aus Monschau, sondern die via Liste antretende Bettina Herlitzius (Grüne). Die 41-Jährige, die mit ihrem Sohn und ihrer Partnerin „in einem nachbarschaftsorientierten Wohnhof“ in Herzogenrath lebt, war schon 2002 für wenige Stunden Bundestagsabgeordnete. Nach vorläufigem Auszählen der Stimmen sah es am Wahlabend 2002 so aus, als käme sie über Platz 13 der Landesliste ins Parlament. Die Lokalpresse feierte sie daher für einen Morgen als Siegerin. Beim Nachzählen kam jedoch kurz nach Redaktionsschluss heraus, dass Herlitzius weiter der Lokalpolitik verbunden blieb. Nun tritt die Kreisvorsitzende auf Platz 11 der Landesliste relativ abgesichert an.Die taz-Prognose?Brandt oder Großmann. Und Herlitzius. MICHAEL KLARMANN