berliner szenen
: Es genügt, dass sie da sind

Der Wille zum Spektakel war zu erkennen. Zuerst im Friedrichstadt-Palast, als Pollesch das Ensemble Cancan tanzen ließ und das Publikum sich selbst feierte, weil es dabei oder wenigstens da war, und auch, als zu Van Halens Synthie-Hymne „Jump“ eine chrom- und neonglänzende, menschenleere Fußgängerbrücke als Symbol (für was eigentlich) wie von selbst aus der Tiefe der Bühne uncanny angeglitten kam.

Zu erkennen war er auch später, während des mitternächtlichen Auftritts von Kruder & Dorfmeister beim Festival für Elektronische Musik in der Philharmonie. Dort schwang die Crowd die Glieder zum Sound der beiden Österreicher.

Ganz unironisch prangte das K&D-Logo auf der Leinwand, reckte Richard Dorfmeister, der inzwischen dem späten Thomas Bernhard verblüffend ähnlich sieht, etwas linkisch die Arme, ließen die beiden Mixgötter die erlauchten Patscher über die erleuchteten Regler oder auch knapp daneben hin gleiten, merkt ja kaum keiner. Auch nicht, dass K&D nach einer knappen Stunde einfach ihr legendäres Sessions-Album laufen ließen und dazu posierten wie echte DJs.

Niemand erwartet mehr, es genügt, dass sie nur mehr da sind. Nur manchmal schien es ihnen unangenehm, dass sie nicht auf dem Kopf gehen konnten, und man hatte gar das Gefühl, als müsse Peter Kruder den Freund an die immerhinnige Anwesenheitspflicht erinnern, der inzwischen in Gedanken vielleicht woanders war, zu Hause bei der Familie oder bei der Frage, wie die Zeit vergeht.

Die stellte sich auch wirklich, kam uncanny angeglitten wie eine Fußgängerbrücke aus dem Trockeneisnebel, machte aber schnell wieder kehrt und verflüchtigte sich im Stroboskopgewitter angesichts der Euphorie im Saal und einem Leuchten auf unseren Gesichtern, das für sich bereits Spektakel genug war. Sascha Josuweit