Huren-Rente in Gefahr

Anlaufstellen für Prostituierte in Nordrhein-Westfalen befürchten nach einem Regierungswechsel die Aufhebung des Prostitutionsgesetzes. Dann gäbe es für die Huren keine soziale Absicherung mehr

AUS DORTMUND GESA SCHÖLGENS

Prostituierte, die Rente kassieren – bis vor drei Jahren noch undenkbar. Erst das Prostitutionsgesetz von 2002 erlaubte den Frauen eine legale soziale Absicherung. Beratungsstellen für Prostituierte in NRW befürchten, dass sich das bald ändert. Bei einem Wahlsieg der CDU im September könnte es zur Rücknahme der Regelung kommen. Schon im Februar stellte die bayrische Landesregierung einen Antrag an die Bundesregierung, das Prostitutionsgesetz zu kippen. Angeblich verbessere es die Bedingungen für Zuhälterei und fördere den Menschenhandel. Das sehen die Anlaufstellen anders. „Immer wieder werden Zuhälterei und Zwangsprostitution, die ja strafbar sind, mit dem Prostitutionsgesetz in Verbindung gebracht“, sagte Jutta Geißler-Hehlke, Leiterin der Dortmunder Beratungsstelle Mitternachtsmission. Bei richtiger Anwendung der Regelung gebe es aber keine Probleme. In den legalen Bordellen arbeiten die Frauen Arbeit freiwillig.

Das Gesetz sorgte in Dortmund für mehr Transparenz in den Betrieben und erleichterte die Arbeit der Polizei im Rotlicht-Millieu. Ein Runder Tisch ermöglicht eine gute Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden. Bordelle mit mehr als drei Beschäftigten können sich seit 2002 als Gewerbebetrieb anmelden. Inzwischen haben elf der rund 100 Betriebe eine Konzession, die es den Prostituierten erlaubt, Arbeitsverträge abzuschließen. „Pro Betrieb haben durchschnittlich zwei Beschäftigte einen Arbeitsvertrag“, weiß Gisla Zohren von der Mitternachtsmission. Einmalig in Deutschland ist die Finanzberatung. Experten helfen den Prostituierten und Bordellbetreibern in Steuerfragen und geben ihnen somit Rechtssicherheit. Das Dortmunder Modell soll anderen Städten wie Münster als Vorbild dienen.

All diese Vorteile sehen die Beratungsstellen nun gefährdet. „Die Bundes-CDU plant, die alte Situation wiederherzustellen“, sagte Mechthild Eickel von der Bochumer Anlaufstelle „Madonna“. Zwar lehnte der Vermittlungsausschuss die Forderungen der CDU ab, die Diskussion dauere jedoch an. Auch in anderen Bundesländern und in SPD-Kreisen gebe es Stimmen gegen das Prostitutionsgesetz. Die Folgen einer Aufhebung sind problematisch. “Sämtliche legale Betriebe würden über Nacht illegal, die Betreiber und Mitarbeiter machten sich strafbar“, so Zohren. Sie schätzt, dass die Bordelle dann völlig in die kriminelle Hände fallen. Alle Bemühungen würden rückgängig gemacht, das Vertrauen in Behörden und Anlaufstellen zerstört.

Nicht in jeder Stadt konnte das Gesetz wie geplant umgesetzt werden. „Das liegt daran, dass die Prostituierten oftmals auf eigene Kappe arbeiten“, so Eickel. Noch immer gibt es in Städten wie Bochum Sperrgebiets-Zonen, die die Prostituierten an den Stadtrand drängen. Nachgebessert werden müssten auch Regelungen wie Gaststättengesetz und Aufenthaltsrecht.