Die Spirale der rechten Gewalt

Lübcke, Halle, Chemnitz: Behörden sehen rechte Szene mit Besorgnis

Die jüngste Warnung von Horst Seehofer war deutlich. Die Terrorgefahr von rechtsextremer Seite sei „sehr, sehr ernst“, sagte der Bundesinnenminister. Es gebe eine „hässliche Blutspur vom NSU bis Halle“. Die jetzigen Festnahmen von 12 mutmaßlichen Rechtsterroristen geben dem CSU-Mann recht.

Im Januar hatte Seehofers Ministerium die rechtsex­treme Gruppe Combat 18 verboten, nachdem diese jahrelang unangetastet geblieben war und rechtsextreme Musik vertreiben konnte. Nun warf Seehofer der rund 20-köpfigen Gruppe eine „menschenverachtende Gesinnung“ und „rechtsextremistische Hetze“ vor.

Schon zuvor hatte die Bundesregierung ein härteres Vorgehen gegen Rechtsextremismus vereinbart. Ein Ausbau der zuständigen Abteilungen bei Verfassungsschutz und BKA, eine Meldepflicht für Provider bei Hasspostings, strengere Regelungen im Waffenrecht. Es war die Reaktion auf das Attentat auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und den Angriff auf die Synagoge in Halle, bei dem zwei Passanten erschossen wurden.

Wegen beider Mordtaten stehen nun Anklagen unmittelbar bevor. Den Halle-Attentäter Stephan Balliet stufen die Ermittler weiterhin als Einzeltäter ein. Mit selbst gebauten Waffen war dieser zur Tat geschritten. Hinweise auf irgendwelche Mitwisser oder Mittäter hätten sich nicht gefunden, heißt es in Sicherheitskreisen. Über die Tat soll demnächst verhandelt werden.

Im Mordfall Walter Lübcke ­zogen sich die Ermittlungen in letzter Zeit hin, weil der Beschuldigte Stephan Ernst sein anfängliches Geständnis wieder zurückzog. Aus Ärger über die Kritik von Lübcke an Gegnern von Geflüchteten habe er diesen vor seinem Haus erschossen, hatte Ernst zunächst ausgesagt. Zuletzt präsentierte der mehrfach vorbestrafte Rechtsextremist eine neue Version: Nicht er habe geschossen, sondern der Mitbeschuldigte Markus H., und dies nur versehentlich nach einem Versuch der Aussprache mit Lübcke. Die Ermittler schenken dieser Aussage bisher wenig Glauben: DNA-Spuren fanden sich nur von Ernst am Tatort. Die Anklage gegen ihn soll im März erhoben, danach soll am Oberlandesgericht Frankfurt am Main verhandelt werden.

Bereits vor Gericht stehen acht Sachsen, die als „Revolution Chemnitz“ Anschläge geplant haben sollen. Die teils langjährigen Neonazis hatten sich nach den rechten Aufmärschen 2018 in der Stadt in einer Chatgruppe zusammengefunden und nach Waffen gesucht. Nach einem Überfall auf Migranten in der Stadt flog die Gruppe auf. Das Urteil über sie wird für März erwartet.

Verfassungsschutz und Polizei sprachen zuletzt von einer „Lageverschärfung“, was den Rechtsextremismus angehe. 12.700 Gewaltbereite werden der Szene zugerechnet, darunter sogenannte 53 Gefährder, denen Anschläge zuzutrauen sind. Nach den Festnahmen vom Freitag bekräftigte Seehofer: Für Staatsfeinde gebe es „null Toleranz“. Konrad Litschko