Lars Penning
Filme aus dem Archiv –
frisch gesichtet
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Wer sich 1960 vom Filmtitel Das Schreckenshaus des Dr. Rasanoff ins Kino locken ließ, dürfte enttäuscht gewesen sein. Zwar besitzt Georges Franjus Meisterwerk „Les yeux sans visage“ (so der Originaltitel, also: „Augen ohne Gesicht“) eine Handlung, die auch Ausgangspunkt eines Genre-Horrorfilms sein könnte: Professor Genessier (Pierre Brasseur), berühmter Experte für Gewebeverpflanzungen, meuchelt junge Frauen, weil er deren Gesichtshaut benötigt, um die Gesichtszüge seiner bei einem Unfall versehrten Tochter Christiane (Edith Scob) zu rekonstruieren. Doch der Regisseur interessiert sich nie für den offensichtlichen Schrecken, folglich geht es hier weder um blutigen Splatter noch um Krimi-Thrill. Franju war der Meister eines Kinos, in dem das Alltägliche sich langsam in Befremdliches wandelt: irritierend, magisch und immer auch ein wenig unheimlich. Angst macht bei Franju nur das, was gar nicht passiert. Von dem man sich aber ausmalen kann, dass es passieren könnte (Om engl. U, 14. 2., 21 Uhr, Arsenal 1).

Der gedankliche Übergang zu „Judex“ fällt nicht schwer, denn Georges Franju drehte 1963 ein Remake des berühmten Serials von Louis Feuillade von 1916, dessen zwölf Episoden das Arsenal Kino an zwei aufeinanderfolgenden Abenden in insgesamt vier Vorstellungen zeigt. Feuillade war ein Regisseur mit einer wilden, poetischen Imaginationskraft: Perfekte Verkleidungen, Verfolgungsjagden, Mord und Entführungen prägten seine abenteuerlichen Serials über Verbrecher, Draufgänger, glücklose Kriminalkommissare und – wie im Fall von „Judex“ – einen mysteriösen Rächer, der die Gesetzesbrecher auf seine ganz eigene Weise zur Strecke bringt. Eunice Martin begleitet die Serial-Filme musikalisch auf dem Klavier (frz. ZT + eng. U, 15. 2., 19 & 21 Uhr, 16. 2., 18 & 20 Uhr, Arsenal 1).

Klavierbegleitung (von Richard Siedhoff) bietet auch das City Kino Wedding bei seiner Vorstellung von Buster Keatons „Our Hospitality“ (1923), in dem der brillante Komiker den jungen Willie McKay verkörpert, der in den amerikanischen Südstaaten sein Erbe antreten will. Dort angekommen, gerät er nichtsahnend in eine Blutfehde, die seine Familie seit Generationen mit jenen Nachbarn verbindet, in deren Tochter er sich im Zug verliebt hat. Solange er sich in ihrem Haus aufhält, gilt die Gastfreundschaft – doch wehe, er tritt vor die Tür. Der Film ist eines der schönsten und lustigsten Beispiele für die sagen­hafte Geistesgegenwärtigkeit von Keatons Figuren, mit der sie Missgeschicke stets im Handumdrehen in einen Vorteil verwandeln (14. 2., 19.30 Uhr, City Kino Wedding).