wortwechsel
: Sind wir stark genug –
für unsere Demokratie?

Nach dem Schock der Ereignisse in Thüringen stellen taz-LeserInnen sich die Frage, welche Wege aus diesem Sumpf herausführen können. Es geht um solide Politik, Mut – und Bildung

Demo in Erfurt Foto: Martin Schutt/dpa

Ins Abenteuerland?

„Was für ein Theater“, taz vom 8./9. 2. 20

Die Angst vor Neuwahlen geht in ganz Deutschland um, die Angst vor der AfD, und dass diese AfD noch mehr Prozentpunkte einfahren, vielleicht sogar irgendwann die 50-Prozentpunkte-Marke knacken könnte. Die Angst ist immer ein sehr schlechter Ratgeber, lieber jetzt und sofort ganz forsch und voll hinein mitten ins Abenteuerland.

Riggi Schwarz, Büchenbach

„Politisches Erdbeben in Thüringen:

Den Osten verloren“, taz vom 6. 2. 20

Zivilgesellschaft hilft

Ich muss den SchreiberInnen der ausführlichen Berichte und Kommentare zu den Ereignissen in Thüringen ein großes Lob aussprechen. Taz sei Dank! Bei den Aktivitäten diverser rechtslastiger Initiativen in- und außerhalb der Parteien ist es erschreckend, feststellen zu müssen, wie tief wir schon im rechten Sumpf stecken. Erschreckend ist es auch, zu erleben, wie einige Politiker völlig ihren eigentlichen Auftrag vergessen haben. Statt auf sachorientierte Lösungen hinzuarbeiten, wird taktiert und strategisch „komplottiert“ und sehenden Auges ein einmaliger politischer GAU produziert. Was für ein Vertrauensbruch! Die spontane Reaktion der Zivilgesellschaft lässt aber hoffen. Wir bleiben allerdings weiterhin herausgefordert. Ulla Putze-Breidenstein, Berlin

Solide Politik machen

Jedem dritten Wahlberechtigten ist die Politik in seinem Bundesland wurst. Und jeder vierte (wenn er denn wählen geht) wählt eine radikale rechte Partei. Ich fürchte, es wird nicht ausreichen, wenn in Talkshows AfD-Teilnehmer als Nazis und Faschisten bezeichnet werden und man sich dafür abfeiert, dass man das ja jetzt sagen darf. Das perlt an AfD-Leuten und ihren Wählern vollkommen ab. An CDU, CSU, Grüne, Linke, FDP: Jobs, faire Bezahlung, Sicherheit, Gerechtigkeit, die Aussicht auf eine anständige Rente, ein Plan für die Zukunft sind die besten Mittel im Kampf gegen radikal-rechte Parteien. Alexander Stein auf taz.de

Stimme aus Österreich

„Sind wir erfolgreich geimpft?“,

taz vom 8./9. 2. 20

Die „Rechten“, die „Nazis“ sind im Vormarsch? Ja, bis zu einem bestimmten Prozentsatz! Überall – in Deutschland, in Italien, auch in Österreich. Aber, ihr Potenzial ist „enden wollend“, weil sie kein Programm haben. Sie sprechen eine bestimmte Klientel an – die der gesellschaftlich Enttäuschten, die der gesellschaftlichen Verlierer. Sie „leben“ aber hauptsächlich von den Fehlern der anderen Parteien. Sie sind „nur so gut“, weil die „demokratischen Parteien“ so schlecht sind. Die Aufgabe aller Demokraten ist, die Wählerinnen und Wähler zurückzuholen. Auf eine demokratische Basis. Dazu ist es notwendig, die Sorgen und Ängste der Menschen ernst zu nehmen. „Einen Job zu haben, ohne davon leben zu können“ oder „40 Jahre arbeiten, um dann von der Rente/Pension nicht leben zu können“ – das sind die Sorgen der Menschen. Darauf muss sich die Sozialdemokratie/die Linke besinnen und entsprechende Lösungen vorlegen und auch umsetzen. In ihrer grenzenlosen Gier nach Macht und Selbstverwirklichung schießen sich die Rechten, die Nazis oft selbst ab (Ibiza). Noch! Ja, die AfD ist überall demokratisch gewählt, dank einer starken Demokratie in Deutschland, aber es sind deshalb noch lange keine Demokraten.

Wilhelm Hirtenfelder, Wien

Lest Eugen Kogon!

„Tabubruch in Thüringen: Babylon

Erfurt“, taz vom 8./9. 2. 20

Ich bin mit dem Beitrag von Robert Misik ganz und gar einverstanden. Was mir zu denken gibt, ist sein Hinweis: „Klar: Wären die Umstände einmal anders, könnte ein solches Abenteuer leicht anders ausgehen.“ Hier geht es um die zentrale Frage, inwieweit Erziehung – sowohl im privaten Raum als auch in Sinne öffentlicher Erziehung in Schule, Bildungseinrichtungen – neu herausgefordert ist. Althaus findet im Übrigen angemessene Bewertungen, indem er das Verhalten der Akteure „bescheuert, naiv“ beziehungsweise „bewusst kalkuliert“ nennt. Schickt Möhring und Kemmerich in den Karzer und lasst sie Eugen Kogon und Heinrich Gerlach lesen.

Franz Josef Witsch-Rothmund, Koblenz

„Der Handschlag von Erfurt“,

taz vom 8. 2. 20

Demokratischer Habitus

Demokratie braucht – neben guter Bildung des Volkes – unbedingt parlamentarische Integrität und Vorsorge, sonst schafft sie sich selbst ab. Der Thüringer Wahl-Eklat resultiert dabei freilich aus Egoismen, Fehlern und Fehleinschätzungen nicht nur einiger weniger Politiker oder nur einer Partei – und zwar seit geraumer Zeit. Zugleich lässt sich erfreulicherweise feststellen, dass der demokratische Habitus der Öffentlichkeit indes durchaus wehrhaft und entschlossen die richtigen Antworten zu geben fähig und bereit ist. Vor allem die klare Kritik der Menschen auf der Straße und über die Medien hat so den Hauch von Weimar eindrücklich einfangen können.

Ira Bartsch, Lichtenau-Herbram

Entsteht was Gutes?

Zu der Frage, ob aus dem Thüringer Drama etwas Gutes entstanden ist: ja, wahrscheinlich schon. Erstens wissen wir jetzt, wes Geistes Kind viele „moderate“ CDU- und FDP-Politiker sind, sie haben sich geoutet. Zweitens ist durch den massiven Gegenwind manch einem in Thüringen womöglich klar geworden, dass er sich mit seiner harmonisierenden Haltung zu Höckes AfD wohl in einer Blase befindet und Demokratie kein Strategiespiel ist. Das regt, wenn wir Glück haben, zum Denken an.

Allerdings kommt das eigentliche ­Ergebnis dieser Krise noch. Wenn die ­Thüringer neu wählen. Das muss sein, und ich freu mich drauf. Aber es wird auch eine Stunde der Wahrheit für den Rest der Republik werden. Jur auf taz.de