: Der rosafarbene Makel
Susanne Paeslers Bilder sind Untersuchungen der Moderne. Die Galerie Barbara Weiss zeigt mit „Pattern Recognition“ Bilder der jung verstorbenen Künstlerin
Von Brigitte Werneburg
Ein Bild, ich würde es „Susanne Paeslers sozialistischer Moment“ nennen, fällt gleich – nein, nicht aus dem Rahmen – aber auf. An der Stirnwand der Galerie Barbara Weiss markiert es den entscheidenden Kontrast in der Hängung der Ausstellung „Pattern Recognition“. Die Galerie betreut den Nachlass der Künstlerin, die 2006 43-jährig verstarb, und zeigt nun Arbeiten aus den 1990er Jahren.
Susanne Paesler macht in diesem Bild – ähnlich wie Lucio Fontana mit dem Messer – mit dem Pinsel und Farbe vier vertikale Schnitte in die monochrom rote Leinwand, um die sie einen roten Rahmen malt, in dessen unteres rechtes Eck sie die weiße Schablone einer Rose aufgeklebt hat (man sieht noch ein Fitzelchen Tesafilm), die an die Rose der Sozialdemokratie erinnert.
Stoffmusterbilder
Die Bilder davor wie die Bilder danach gehören in die Werkgruppe der sogenannten Stoffmusterbilder, mit denen Susanne Paesler in den frühen 1990er Jahren bekannt wurde. Damals fand sie die Vorlagen für ihre geometrischen Abstraktionen auf Küchenhandtüchern, Herrentaschentüchern, den Tartans von Röcken und Trenchcoats oder den Argylmustern von Socken und Pullovern; nicht zu vergessen ihre berühmteste Vorlage – lange vor den Modedesignern und Adidas – dem Sitzmuster der Berliner U-Bahn.
Ihre Rasterbilder aus präzise gesetzten, im rechten Winkel bzw. der Diagonalen sich schneidenden Linien trug Paesler mit Arcylfarbe oder Lack auf MDF- oder Aluminiumplatten als Bildträger auf, wobei die Künstlerin auch den Rahmen malte. Gern mal als Trompe-l’œil wie bei der Gruppe von vier quadratischen Bildern aus dem Jahr 1995 an der linken Wand, etwas erhaben scheint er von innen nach außen zur Wand hin abgeschrägt. Gerade in diesen Rahmen bewahrheitet sich der konzeptuelle Ansatz, der ihrer Auseinandersetzung mit dem Tafelbild zugrunde liegt, in aller Konsequenz. Potenziell hätte auch noch die Wand, an dem die Arbeit hängt, Bildmotiv ihrer malerischen Untersuchung der Konventionen der Kunst der Moderne sein können.
Freilich beschränkte sich Susanne Paesler in ihren Werken nicht auf den intellektuell-konzeptuellen Beitrag zur Frage nach den Herausforderungen von Malerei heute. Ihre Untersuchung der Moderne als Muster bezog den weiteren Kontext mit ein. Denn die als Vorlage gekauften Stoffe, „meist von beklemmend gediegener Qualität“, gaben ihr, wie sie sagte, „Auskunft über Stil- und Geschmacksfragen, und mein Interesse lag darin, diese scheinbar kunstfernen ästhetischen Codes mit Fragen der abstrakten Malerei zu verbinden“.
Und hier setzt nun Tenzing Barshee, der Kurator der Ausstellung, an. Paeslers Schottenkaro ruft in ihm die verschwommene Erinnerung an Jacketts herauf, wie sie bei der Bourgeoisie beliebt sind. Und eine, wie er im Pressetext schreibt, groteske Nostalgie für solche Markierungen des Klassenunterschieds. Doch Paeslers Verdoppelungen, die handelsübliche Stoffmuster in abstrakte Kompositionen überführen, zielen weniger auf die soziologische Analyse des Alltags, sie wollen ihn vielmehr atmosphärisch dingfest machen.
Zum Atmosphärischen des Alltags gehören unbedingt die Logos, Symbole und Markennamen, allgemeine Codes, die unser Konsumverhalten, aber auch unsere politische und gesellschaftliche Haltung kommunizieren. Und da entwickelt die kleine weiße Schablonenrose eine enorme Ausdruckskraft. Das hat Tenzing Barshee gesehen und nutzt das Bild als Irritation der Serie der Stoffmusterbilder, um seinen Akzent in der Befragung von Susanne Paeslers Werk kenntlich zu machen.
So weit zurück
Er erkennt in ihm die Auseinandersetzung der Künstlerin mit der Einrichtung bzw. Ausstattung der 90er-Jahre-Mittelklasse. Und sie charakterisierte zweifellos, wenn auch kein sozialistisches, so doch ein sozialdemokratisches Moment. Ja, so weit zurück liegen die 1990er Jahre. Wie ein Echo der Irritation des „Fontanas“ mit der Rose wirken gegenüberliegend die zwei überdimensionierten, auf den Sockel gehobenen Spielzeugwürfel.
Durchbrochen von geometrischen Formen wie Dreieck, Raute oder Kreis, sind sie mit einem mal rötlichen, mal bläulichen Quadratmuster bemalt. Identisch verspielt und süßlich, wird doch der Makel des Rosa den zukünftigen Künstlerinnen immer anhängen. So durchdacht „Pattern Recognition“ gehängt ist und so präzise die Arbeiten ausgewählt sind, scheint es nur gerechtfertigt, dem Kurator das letzte Wort zu lassen: „Paeslers Gemälde sind Allegorien auf die kulturellen Codes, durch die sich die Gesellschaft definiert. Es ist eine Frage des Auftritts.“
Bis 22. Februar, Galerie Barbara Weiss, Di.–Sa. 11–18 Uhr
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