Suche nach Glanz und Konfetti

Männerrollen unter die Lupe genommen auf dem Max Ophüls Filmfestival in Saarbrücken

Hier auf dem Land gibt es für den jungen Mann jedenfalls nicht allzu viel

Von Carolin Weidner

In Alexander herrscht ewige Nacht. Als er sich kopf- und haltlos in eine Varietékünstlerin verliebt und mit ihr ein paar berauschende Stunden verbringt – solche, wie sie ihm offenbar zuvor noch nie beschieden waren –, ist es nicht wie der Auftakt zu etwas ganz Großem, sondern zu etwas ganz Dunklem, ganz Schmerzhaftem.

Regisseurin Lena Knauss zeigt in ihrem Wettbewerbsfilm „Tagundnachtgleiche“ auf dem Max-Ophüls-Filmfestival, was mit einem Mann passieren kann, wenn er sich vollständig an eine Frau verliert. Eine Frau, die mehr noch ist (oder weniger) als das: ein Phantasma. Thomas Niehus ist angehalten, jenem Alexander Körper und Gesicht zu verleihen. Mit vielen Zigaretten und Schnäpsen quält er sich durch Tage und Nächte, die er allein vor kaputten Fahrrädern und Schallplatten verbringt. Erst die aparte Marlene (Sarah Ho­stett­ler) vermag es, einen Pfad zu schlagen durch das seelische Gestrüpp des unglücklich Verliebten, welcher der ganzen Welt den Rücken zugekehrt zu haben scheint.

Alexander ist einer der vielen Männer, denen beim diesjährigen Filmfestival Max Ophüls Preis in Saarbrücken zu begegnen war. Und sicherlich einer der dramatischsten, wie auch Lena Knauss’Film zu denen der Ausgabe zählte, die an intensiven Bildern und Gefühlen nicht knapsten. Durchkomponiert bis ins kleinste Detail, haftet „Tagundnachtgleiche“ allerdings auch eine Luftundurchlässigkeit und Melodramatik an, die man erst einmal verkraften muss.

„Neubau“, als Bester ­Spielfilm ausgezeichnet

Anders verhielt es sich da mit Markus (Tucké Royale) in Johannes Maria Schmits „Neubau“, der mit dem Preis für den Besten Spielfilm ausgezeichnet wurde. Unweit Berlins gedreht und doch ganz weit weg, sehnt sich Markus, der früher wahrscheinlich einmal im Körper einer Frau feststeckte – der Film deutet es mit Narben unter den Brüsten und gesetzten Spritzen nur an –, nach einem Leben, das sich in Glanz und Konfetti auflöst. Hier auf dem Land, gibt es für den jungen Mann jedenfalls, abgesehen von seinen Großmüttern, nicht allzu viel.

Wo „Tagundnachtgleiche“ jedes noch so kleine Fragment schon beinahe obsessiv an anderer Stelle wieder aufgreifen und entschlüsseln musste, hält sich „Neubau“ lieber vage. Die schönen Bilder von Kamera­frau Smina Bluth rücken Markus und Dorf auf gute Weise auf die Pelle, ansonsten erzählt „Neubau“ gerne mit vielen Auslassungen.

Lückenhaft – und damit mysteriös – wird der 22-jährige Medizinstudent Sev in Teresa Hoerls „Nothing More Perfect“, einem weiteren Wettbewerbsbeitrag, eingeführt: als attraktiver Dealer, dessen Bekanntschaft Schülerin Maya auf einer Prager Clubtoilette macht. Hierhin hatte sie sich eigentlich zurückgezogen, um ein Livevideo für ein Selbstmordforum hochzuladen sowie ihren peinlichen Eltern auf der Tanzfläche zu entfliehen. Sev (Konstantin Gries) ist die ambivalente Retterfigur in Hoerls Film, der die Herzklopfrezeptur „Bad Guy mit Hundeblick“ lehrbuchhaft ausführt. Dass Hoerl sich dennoch die meiste Zeit mit ihrer weiblichen Hauptfigur Maya, gespielt von Entdeckung Lilia Herrmann, befasst, ist begrüßens- und sehenswert.

Anders als Detlev Bucks grölende und pfeifende Horde im Strafvollzug befindlicher Männer in „Männerpension“ (1996), der im Rahmen des „Tribute: Heike Makatsch“ besichtigt werden konnte: Ein Film, der sich als feixend und frei begreift und hin und wieder auch eine Pointe erwischt, ansonsten aber irgendwo zwischen erschreckend und unfassbar dümpelt. Sich ans eigene Selbstmitleid Verschenkende wie Alexander wirkten da fast schon progressiv.

Aber ist ja alles „nur“ Spielfilm. Und im Dokumentarfilm? Da gab es einen anfänglich jungen und später nicht mehr ganz jungen Libanesen namens Ali zu sehen, der in Frederik Arens Grandins „KIW“ sehr faszinierend von einem Projekt ins nächste strudelte, im Wechselspiel aus Lethargie und Schlaflosigkeit.

Oder gleich sechs auf einen Schlag wie in Aron Nicks „Tscharniblues II“: ein Porträt jener Protagonisten, die im Jahr 1979 in dem gefeierten Super-8-Film „Dr Tscharnieblues“ (sic) Schweizer Undergroundfilm-Geschichte schrieben. Ein ungehübschtes, doch schillerndes und vielseitiges Prisma von Männlichkeit, in dem sie vielleicht alle widerhallten: Alexander, Sev, Ali (sicher niemand aus „Männerpension“). Ewige Nächte jedenfalls kennen sie dort alle, aber sie kommen ohne Glamour daher. Dafür mit echter Tiefe.