Kersten Augustin war vor der FDP-Zentrale
: „Wer hat uns verraten?“

Kurz vor 18 Uhr stehen ein paar hundert Demonstranten auf dem Gehweg gegenüber der FDP-Zentrale in Berlin und rufen: „Wer hat uns verraten? Freie Demokraten!“ Es wehen Parteifahnen in Rot, Rot und Grün, vor allem AntifaschistInnen sind hier. Der Aufruf kam kurzfristig, über Twitter und andere Netzwerke riefen nicht Parteien, sondern vor allem Einzelpersonen und soziale Bewegungen auf. Ein Veranstalter ist auf der Straße nicht erkennbar. Doch trotz der kurzen Frist haben viele DemonstrantInnen gebastelte Schilder mitgebracht.

„Lieber mit Faschisten regieren, als nicht regieren“, ist da in FDP-Gelb zu lesen. Andere Plakate machen historische Bezüge. Auf einem Schild sieht man den Handschlag von Höcke und FDP-Ministerpräsident unter dem von Hindenburg und Hitler, auf einem anderen steht: „Hindenburg hätte FDP gewählt“. Das Schild hält Levi Penell. Der 19-Jährige sagt, er sei fassungslos, dass sich die FDP von der AfD unterstützen lasse: „Es gab ja vorher Mutmaßungen, aber das hätte ich nie gedacht.“

Dann wird es schlagartig voll und Penell wird unterbrochen, neben ihm gibt es eine kurze Rangelei mit der Polizei. Die will die Demons­tration eigentlich auf den Bürgersteig begrenzen, aber die Demonstranten sind einfach zu viele. Die Beamten geben auf und sperren den Verkehr. Viele Menschen sind dazugekommen, die man vor dem heutigen Tag vielleicht als bürgerlich bezeichnet hätte, wenn der Begriff nicht seine Würde verloren hätte. Es ist jetzt so eng auf der Straße, dass man kaum vor oder zurück kommt.

2.000 Menschen stehen schätzungsweise vor der Parteizentrale und rufen: „Der FDP kannst du nicht trauen, vorne gelb und hinten braun“, oder: „Fünf Prozent, was denkt ihr, wer ihr seid?“

Überhören kann man die Demonstranten in der FDP-Zentrale in Berlin sicherlich nicht. Aber die Lichter bleiben aus, die Fenster geschlossen.

Irgendwann leuchten Demonstranten mit Taschenlampen die Fassade ab: Liberalismus, jemand zu Hause? Ein Demonstrant malt sich aus, was passieren könnte: „Stell dir vor, Lindner tritt gleich ans Fenster und sagt: ‚Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass Ihr Rücktrittsgesuch …‘“

Aus der Fassungslosigkeit vom Anfang ist eine laute Kundgebung geworden. Wie kurzfristig die Demons­tration organisiert wurde, merkt man auch daran, dass die Redebeiträge aus den eilig aufgebauten Lautsprechern kaum durchdringen. Die Sprechchöre sind lauter. „Schämt euch“, rufen sie, und „Alle zusammen gegen den Faschismus.“