heute in bremen
: „Er war ein Mensch des Lichts“

Foto: privat

Ekaterina Denissova-Bruggeman, Pianistin und Musikwissenschaftlerin, hat zum Einfluss von Paul Klee auf die Musik geforscht, war mit Edison Denissov verheitratet.

Interview Benno Schirrmeister

taz: Madame Denissova, in einem Ihrer Bücher nennen Sie Ihren Mann „den Komponisten des Lichts“: Was heißt das?I

Ekaterina Denissova-Bruggeman: Licht, das Verständnis von Licht ist tatsächlich immer sehr wichtig für sein Schaffen gewesen, für seine Musik und seine Ästhetik. Und zwar in sehr unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffs: Das natürliche Licht, die Sonne, ist damit ebenso wie das religiöse gemeint, also die Erleuchtung. Außerdem ist es das Licht, das man in der Malerei findet.

… und, angesichts der außerordentlichen Klarheit seiner Komposition, doch wohl auch das Licht der Vernunft?

Tout à fait, das ist sogar entscheidend: Lumières als Aufklärung, und zwar auch im historischen Sinn, mit Bezug aufs Zeitalter Voltaires und der „Encyclopédie“. Deswegen nennen wir – nicht nur ich, sondern der ganze Kreis seiner Freunde und Kenner seines Werks – ihn so: Er war ein Mensch des Lichts, eine strahlende Persönlichkeit.

Mein Vorurteil von Sibirien, wo er herkam, ist: dass es eher dunkel ist …

Da irren Sie sich aber gründlich. Es ist kalt, gerade jetzt natürlich, aber eine trockene Kälte und ein hartes Licht, das vom Weiß des Schnees reflektiert wird, der selbst in der Nacht noch funkelt, wenn der Mond scheint.

Dann könnte also das Licht in der Musik aus der Kindheit stammen?

Zweifellos. Denn Denissov hing sehr an seiner sibirischen Heimat, und er hing in einem allgemeineren Sinne noch an der Natur: Er mochte die etwas wilden Landschaften, die großen Wälder und Seen, und Flüsse: Tomsk, wo er geboren ist, ist ja ein Gebiet der großen Ströme, von Tom und Ob. Er liebte es, an deren Ufer entlangzugehen. Auch ist er, als er jünger war, fast jedes Jahr im Sommer zwei Monate von Moskau nach Karelien gefahren, an der Grenze zu Finnland: In dieser kaum berührten Natur hat er seine besten Werke geschrieben.

Wie konnte er in der sehr restriktiven Breschnew-Ära …

Restriktiv ist zu schwach. Sie war totalitär.

Wie konnte er in der Diktatur Komponist sein?

Konzert: Werke von Edison Denissov (1929–1996) – Meister der sowjetischen Moderne, mit Ulrike Höfs (Flöte), Maximilian Krome (Klarinette), Hannah Gladstones (Fagott) Kiveli Dörken (Klavier) und Ekaterina Denissova-Bruggeman; Veranstaltet vom Osteuropa-Institut der Uni und der Deutschen Kammerphilharmonie, Sendesaal, 19.30 Uhr

Das war schwierig: Es gab Widerständler und es gab Kollaborateure. Und er war Teil des Widerstands – einfach weil er sehr starrköpfig war. Mitunter hat er gesagt, das liege an seinem sibirischen Charakter, weil die Menschen dort als eher hart und unnachgiebig gelten. Sich einer Diktatur beugen und anpassen, das konnte er einfach nicht. Er hätte nicht im offiziell erwünschten, populären Stil komponieren können, weil das nicht seiner war. Bloß musste man das, um als Komponist anerkannt zu werden.

Aber verboten war er nicht?

Nein, nicht verboten. Er konnte schreiben, was er wollte. Nur: Er wurde nicht gespielt. Die Türen der Konzertsäle waren ihm verschlossen, er wurde nicht verlegt, und wenn seine Werke im Ausland gespielt wurden, bekam er keine Ausreisegenehmigung, um der Aufführung beizuwohnen. Das macht es natürlich schwierig zu komponieren, wenn man nicht weiß, ob das Werk jemals aufgeführt wird und sein Publikum findet oder wie das darauf reagiert.

Das war vermutlich auch ein ökonomisches Problem?

Er durfte immerhin am Konservatorium unterrichten, wenn auch nur Orchestrierung. Er hat aber damals viel Filmmusiken geschrieben: wunderbare Musik, vielleicht etwas weniger avantgardistisch, wobei: Bei einigen Dokumentarfilmen sind die Kompositionen wirklich radikal. Diese Musik wurde weniger stark kontrolliert. Da konnte er Sachen ausprobieren.