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Stefan Hunglinger sichtet die sozialen Bewegungen der Stadt

Das linke Bündnis der Unidad Popular in Chile regierte 1.000 Tage. Ein ganz eigener demokratischer Sozialismus sollte dort ab 1970 entstehen: Landreform, staatlicher Wohnungsbau und „ein halber Liter Milch für jedes chilenische Kind“. Weltweit strahlte diese Vision, strahlte Präsident Salvador Allende aus, gab auch denen Hoffnung, die in den rechten lateinamerikanischen Diktaturen leben mussten. Dann, mit dem Staatsstreich von Augusto Pinochet, hielt der diktatorische Neoliberalismus Einzug – und wirkt bis heute nach.

Doch bedeutet die anhaltende soziale Revolte der Chi­len*innen, die sich vor fünf Mo­naten an der Erhöhung der Nahverkehrspreise entzündet hat, nicht wiederum das Ende dieser Epoche? Wird der Sozialismus hecho en Chile, nach chilenischer Art, jetzt doch noch zur nachhaltigen Realität? Diese Fragen beschäftigen diese Woche – 50 Jahre nach der Wahl der Unidad Popular – auch die politische Linke in Berlin.

Die Arbeitspsychologin Patricia Ramírez und der Journalist Leonel Yáñez aus Santiago de Chile etwa werden im Aquarium zu hören sein. Heute ist Yáñez Aktivist für alternative Medien, während der Pinochet-Diktatur war er Militanter der Kommunistischen Jugend Chiles. Ramírez hingegen arbeitet im öffentlichen Gesundheitssystem. Nach einem Rückblick auf die Unidad Popular, werden die beiden darüber sprechen, wie der heutige politische und soziale Aufstand zustande gekommen ist, wer auf die Straße geht, wie die herrschende Klasse reagiert und wie es angesichts des Verfassungsreferendums im April weitergehen sollte (7. 2., 19 Uhr, Skalitzer Str. 6, Spanisch mit deutscher Übersetzung).

„Kriminalisierung der Bewegung und Verfassungsreform“ heißt es in der Regenbogenfabrik. Zuerst führt Luis Cortés von Chile Despertó Internacional in die politischen Forderungen der Revoltierenden ein und dokumentiert ihre Kriminalisierung durch den chilenischen Staat. Anschließend wird ein Dokumentarfilm gezeigt und der Musik von Eugenia Tapia gelauscht (11. 2., 20 Uhr, Lausitzer Straße 22, Spanisch mit deutscher Übersetzung).

Die Proteste sind auch Inspirationsquelle für die Kunst. Insbesondere an der Street Art lassen sich die Forderungen und Wünsche der jüngeren Generation ablesen. Die Ausstellung „Chile ist erwacht“ in der Pablo-Neruda-Bibliothek führt Illustrationen junger chilenischer Künstler*innen und Umweltaktivist*innen zusammen (bis 29. 2., Mo–Fr, 10–19 Uhr, Frankfurter Allee 14 A). Genug Anlässe also, sich bewegen zu lassen von der Geschichte und Gegenwart des chilenischen Widerstands. Venceremos!

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