die woche in berlin
:

Erfolgreiche Klage: Erstmals muss ein Vermieter Entschädigung zahlen, der einen Wohnungssuchenden aufgrund seiner vermeintlichen Herkunft benachteiligt hat. Ernste Sache: Technik allein kann nicht jeden Verkehrsunfall verhindern, auch Vorsicht muss sein. Und die Senatorin für Verkehr, Umwelt und Klimaschutz schockiert mit Klimaschutzvorschlägen

Günther
macht
ernst

Klimaschutzsenatorin macht Klimaschutzvorschläge, echt!

Wie lautet noch mal das Unwort des Jahres 2019? Richtig, „Klimahysterie“. Soll man nicht verwenden, aber ich mach’s jetzt trotzdem: Klimahysterie ist, wenn die Berliner Volksinitiative Klimanotstand am Donnerstag twittert: „Heute hat der Ausschuss für Umwelt, Verkehr und KLIMA im @AGH_Berlin seinen Offenbarungseid geleistet. Nach vier Monaten keinen Beschluss zum #Klimanotstand. Damit beerdigt #R2G die Pariser Klimaschutzziele. Wir brauchen endlich eine echte Klimapartei für Berlin!!“

Richtig ist: Am 30. Januar wird das Plenum des Abgeordnetenhauses Stellung zur Volksinitiative beziehen. Dass sich die Koalitionsfraktionen im Ausschuss nicht vorher schon äußern konnten, lag daran, dass die SPD sich zierte – die wollte erst mal eine eigene Klimadebatte auf ihrer an diesem Wochenende in Nürnberg stattfindenden Jahresklausur austragen. Beerdigt ist deswegen jedenfalls ziemlich genau gar nichts.

Richtig spannend wird es ohnehin erst, wenn der Senat sich am kommenden Dienstag mit der in der vergangenen Woche bereits geleakten Vorlage von Regine Günther befasst. Die grüne Klimaschutzsenatorin hat darin viele grüne Forderungen zur CO2-Reduktion im Wohnungs-, Energie- und Verkehrssektor gebündelt, darunter die Solarpflicht für Neubauten, aber auch das Vorhaben, Pkw, die fossile Treibstoffe verbrennen, ab 2030 aus dem S-Bahn-Ring und ab 2035 aus der gesamten Stadt zu verbannen.

Das finden die AutofetischistInnen der Opposition natürlich fundamentalistisch, aber auch bei manchen Koalitionären werden da neuralgische Punkte gekitzelt. Skepsis äußerten der SPD-Vizefraktionschef Jörg Stroedter und der verkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion, Kristian Ronneburg. Letzterer merkte an, E-Autos seien einfach noch nicht „massen- und alltagstauglich“, eine solche Pflicht lasse sich momentan sozialpolitisch nicht rechtfertigen.

Darauf meldete sich dann sogar Regine Günther noch einmal zu Wort, obwohl sie der Debatte „nicht vorgreifen“ wollte: Erstens werde die angedachte Auto-Wende von einem massiven Ausbau des ÖPNV flankiert, zweitens habe die Fahrzeugindustrie bereits zugesagt, zeitnah Elektroautos zu vertretbaren Preisen anzubieten. „Gerade weil wir frühzeitig ankündigen, wohin die Reise im Verlauf des nächsten Erneuerungszyklus für die Fahrzeugflotten geht, schaffen wir Planungssicherheit für alle und vermeiden soziale und wirtschaftliche Härten.“

Ja, es gibt noch viel Gesprächsbedarf. Und nein, von Tagen oder Wochen hängt die Rettung des Weltklimas dann auch nicht ab. Claudius Prößer

Leute, wehrt euch!

Klage gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt

Endlich mal wieder eine gute Nachricht: Das Amtsgericht Charlottenburg hat Berlins größten privaten Vermieter, die Deutsche Wohnen, wegen Diskriminierung eines Wohnungsuchenden zur Zahlung von 3.000 Euro Entschädigung verurteilt. Das Urteil vom 14. Januar wurde Mitte dieser Woche bekannt. Damit wurde erstmals ein Vermieter für etwas bestraft, was für viele Menschen mit „ausländischem“ Namen, dunklerer Hautfarbe oder einem islamischen Kopftuch alltägliche Erfahrung ist: dass die Wohnung ganz zufällig immer schon weg ist, wenn sie anrufen oder dem Vermieter schreiben. Ähnliches berichten auch Alleinerziehende, Menschen mit Behinderung, alte Menschen, Arme …

Selbstverständlich diskriminieren nicht nur Vermieter*innen, auch Arbeitgeber nehmen bisweilen lieber den Arno Schmidt als den Mustafa Özlem – egal wie gut die Zeugnisse von Letzterem sind. Manche Clubs haben eine „rassistische Tür“, manche LehrerInnen geben Kindern mit Roma-/Türkei- oder sonstigem Hintergrund schlechtere Noten, manche Fußballfans machen Affengeräusche bei bestimmten Spielern. Da hilft es bislang auch wenig, dass solches Verhalten – zumindest im Bereich Dienstleistung – inzwischen gesetzlich verboten ist.

Das Problem: Selbst wer 500-mal abgelehnt wurde mit seiner Bewerbung um Arbeit oder um eine Wohnung kann selten beweisen, dass er/sie* diskriminiert wurde – und um vor Gericht zu ziehen braucht es mindestens ein „glaubhaftes Indiz“. Hier hat das Urteil aus Charlottenburg einen ermutigenden Weg gewiesen, indem es das Testing des Klägers anerkannt hat, der sich nach der Ablehnung durch den Vermieter erneut mit einem deutschen Namen um dieselbe Wohnung bewarb – und prompt zur Besichtigung eingeladen wurde.

Diesen Weg, so ist zu hoffen, werden künftig immer mehr Menschen beschreiten, zumal die Beratungsstellen inzwischen sogar Anleitungen dazu geben und Betroffene auf dem Klageweg begleiten. Auch wenn es natürlich ein Armutszeugnis ist, dass Bürger*innen selbst zu Er­mitt­le­r*in­nen werden müssen, um ihre Rechte durchzusetzen.

Susanne Memarnia

Technik allein verhindert nicht jeden Unfall

Der stete Ruf nach dem Abbiegeassistenten

Wieder eine tote Radfahrerin in dieser Woche, und wieder im Zusammenhang mit einem rechts abbiegenden Auto. Und wieder ist da sofort die Forderung nach dem Abbiegeassistenten, dem elektronischen Warnsystem. Und weil der Bus, um den es dieses mal ging, sogar so ein System gehabt haben soll, soll es eben ein noch ausgeklügelteres sein. Und dann gibt es keine Unfälle mehr?

Allein so zu denken, ist der falsche Weg. Es gaukelt vor, mit mehr Technik jeden Abbiegeunfall ausschließen zu können. Das geht aber nicht. Abbiegeassistenten mögen manchen Unfall vermeiden helfen. Aber es gibt eben Situationen, da hilft das nicht, genauso wenig wie abgepollerte Radstreifen, die protected bike lanes – an irgendeiner Stelle müssen die ja offen sein. Es ist der nachvollziehbare, aber irreführende Wunsch nach absoluter Sicherheit in einem Bereich, der aus Gründen immer gefährlicher wird, die nicht technischer, sondern komplexer gesellschaftlicher Natur sind.

Wie so oft ist auch im Straßenverkehr ein gelegentlicher Perspektivwechsel hilfreich – in diesem Fall vom Fahrradsattel hinter die Windschutzscheibe. Kommt beim Schreiber dieser Zeilen nicht oft vor, passiert aber gelegentlich. Und bei diesen Fahrten gibt es immer mal wieder den Gedanken: Den hättest du jetzt fast nicht gesehen – trotz großer Aufmerksamkeit, weil eben selbst Vielradler. Am leeren, schlecht einsehbaren Radweg vorbei gefahren, an der Kreuzung aufs Abbiegen wartend, nach rechts blinkend – und plötzlich wie aus dem Nichts zieht rechts geradeaus schnell ein Fahrrad vorbei. Ohne nochmaligen langen Schulterblick … gar nicht auszudenken, da hätte auch kein Assistent elektronischer Natur geholfen.

Am Autosteuer sitzen zudem immer mehr ältere Menschen, deren Reaktionsfähigkeit zwangsläufig abnimmt. Und eben auch immer mehr Ego-Shooter. Langsamer werden, wenn ein Hindernis auftaucht? Nein, voll auf die Hupe und Tempo beibehalten. Blinker setzen, Schulterblick – wieso das denn? Das schließt aber gelegentlich auch Radfahrer ein. Man kann natürlich volle Kanne – die Autos fahren ja auch 50 und leider oft mehr! – auf eine unübersichtliche Kreuzung zubrettern und unaufmerksame, im letzten Moment bremsende Autofahrer mit einem „Wie viele sollen denn noch sterben?“ anschnauzen (wie es der Schreiber im Radsattel auch schon getan hat). Man kann sich aber auch fragen, ob Risiko und Zeitgewinn dabei in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen. Und keine Frage ist es eigentlich, ob es fair gegenüber Autofahrern ist, im Dunkeln im schwarzen Hoody ohne Licht oder Leuchtweste und vielleicht noch mit Kopfhörer unterwegs zu sein.

Das soll nun nicht heißen, dass (wir) Radfahrer im Sinne von „Der Klügere gibt nach“ dauerhaft zurückstecken, die eigene Vorfahrt abtreten, die Straße rücksichtslosen Autofahrern überlassen sollen, aus purer Resignation. Nein, natürlich sind übersichtlichere Radwege, Radspuren, bike lanes usw. wichtige Dinge, die einiges an Anspannung rausnehmen. Aber wenn eben Rücksichtslosigkeit und Brutalität allerorten wächst – siehe die Attacken auf Feuerwehrleute und Polizisten – dann hilft es in letzter Konsequenz nicht, auf elektronische Systeme zu ­hoffen, sondern nur, immer nochmal selbst genau zu gucken, ob das Auto neben einem nun tatsächlich geradeaus fährt – oder nicht doch abbiegt.

Stefan Alberti

Man kann sich aber auch fragen, ob Risiko und Zeitgewinn dabei in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen

Stefan Albertiüber unvorsichtig rasende Radfahrer