heute in hamburg
: „Jeder ist durch Leistungsdruck beeinflusst“

Lesung aus dem „Lexikon der Leistungsgesellschaft“: 18 - 20.30 Uhr, Allende-Platz 1, Eintritt frei

Interview Charlotte Dirkx

taz: Herr Friedrich, wurden Sie selbst durch den Leistungsdruck in unserer Gesellschaft geprägt?

Sebastian Friedrich: Ich denke, dass alle in dieser Gesellschaft davon beeinflusst sind und so auch ich – früh in der Schule, aber auch später im Beruf, selbst wenn es um Freizeit und Freundschaften geht. Auch Menschen im hohen Alter können sich nur schwer davon frei machen.

Und hat Ihnen der Druck von außen geholfen oder geschadet?

Wenn die Differenz zwischen dem Erwartungsdruck und dem, was man meint, leisten zu können, zu groß wird, entsteht Stress. Das ist völlig normal. Leistungsorientierung an sich ist also nicht problematisch, sondern eher, dass Leistung in unserer neoliberalen Gesellschaft auf Verwertbarkeit bezogen wird – der wirtschaftliche Aspekt steht hier im Vordergrund und das betrachte ich durchaus kritisch.

Schreiben Sie in Ihrem Buch über eigene Erfahrungen mit der Leistungsgesellschaft?

Im Grunde hat fast jeder Beitrag in meinem „Lexikon der Leistungsgesellschaft“ autobiographische Züge. In einem Beitrag geht es um die Rolle eines Nachwuchswissenschaftlers, der versucht, auf Konferenzen oder in Aufsätzen Begriffe zu prägen, um in dem Haifischbecken Universität zu überleben. Er hangelt sich von befristeter Stelle zu befristeter Stelle, in der Hoffnung einmal eine der raren Professuren zu bekommen. Ich arbeite jetzt zwar nicht mehr als Nachwuchswissenschaftler, aber mir ist diese Zeit noch gut in Erinnerung geblieben.

Wie schwierig ist es, aus dem Strom der Leistungsgesellschaft herauszuschwimmen?

Foto: Johanna Bröse

Sebastian Friedrich, 34, Sozialwissenschaftler, Publizist und Autor des Buches „Lexikon der Leistungsgesellschaft“.

Der oder die Einzelne kann sich dem Leistungsdruck nur individuell entziehen. Gesamtgesellschaftlich lässt sich nur etwas ändern, wenn wir uns aus der Vereinzelung befreien – Verwertbarkeit und ökonomische Interessen dürfen nicht mehr im Zentrum unseres Lebens stehen.

Also lieber mit Ironie und Witz, wie in Ihren Kolumnen, gegen die Leistungsgesellschaft anschreiben?

Mir geht es darum, die eigene Verwobenheit in dieser neoliberalen Gesellschaft aufzuweisen. Eine Gemeinschaft fern vom wirtschaftlichen Interesse ist möglich und genau das anderen Menschen deutlich zu machen, funktioniert eher mit einem Augenzwinkern als mit einem erhobenen Zeigefinger.