Hauptverdächtiger war bei AfD-Veranstaltungen

Stephan E., verdächtig des Mordes an dem CDU-Politiker Walter Lübcke, wurde laut neuen Recherchen mehrfach bei AfD-Terminen beobachtet

Stephan E., der mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, CDU, unterhielt offenbar engere Kontakte zur AfD, als bislang bekannt gewesen ist. So hat er offenbar im Landtagswahlkampf der Partei 2018 in Kassel AfD-Plakate geklebt und zahlreiche Wahlveranstaltungen besucht. Auch bei einer internen Wahlparty soll er mitgefeiert haben. Das berichtet das NDR-Fernsehmagazin „Panorama 3“ und beruft sich dabei auf Aussagen von aktiven und ehemaligen AfD-Politikern bei der Polizei.

Bislang war bereits bekannt, dass der mehrfach vorbestrafte E. die AfD mit einer Geldspende unterstützt und 2018 an einer umstrittenen Demonstration in Chemnitz teilgenommen hatte. Bei dieser Demo waren prominente AfD-PolitikerInnen an der Seite von Neonazis und anderen Rechtsextremisten durch die Chemnitzer Innenstadt gezogen. Im Anschluss an die Kundgebung hatte es rassistische und fremdenfeindliche Ausschreitungen gegeben.

Die hessische AfD bestätigt den NDR-Bericht im Wesentlichen. Stephan E. sei „bei einigen für alle interessierten Bürger frei zugänglichen Veranstaltungen der AfD in Kassel-Stadt zugegen“ gewesen, so der Sprecher der Landespartei. Für den Kreisverband sei E. und dessen Umfeld „vollkommen unbekannt“ gewesen.

Als Fotos des Mordverdächtigen in den Medien veröffentlicht wurden, habe ihn der damalige Kreissprecher der AfD „anhand seiner Baseballkappe“ erkannt und noch am selben Tag die Polizei informiert. Wegen der laufenden Ermittlungen in einem Mordfall habe die AfD die Unterrichtung der Öffentlichkeit den Behörden überlassen. Erst später sei bekannt geworden, dass E. „einmal“ für die AfD auch Plakate geklebt habe.

Auf die Nachfrage der taz, wie ein einschlägig vorbestrafter Rechtsextremist, der in der nordhessischen Neonazi-Szene bekannt war, unbemerkt bei der AfD mitmachen konnte, antwortet AfD-Landessprecher Benjamin Günther: „Es gibt eben keine Überschneidungen zwischen unserer Partei und dieser Szene. E. war allen in der Partei unbekannt und hat ja auch keinen intensiven Kontakt gesucht.“

Janine Wissler, Fraktionschefin der Linken im Hessischen Landtag, sieht das anders: „Dass Stephan E. Dauergast bei der AfD in Kassel war und mit seinem rassistischen, faschistischen und menschenverachtenden Weltbild innerhalb der AfD offenbar nicht weiter aufgefallen ist, sagt viel aus über den Charakter der AfD, die sich im Landtag als bürgerlich-konservativ darstellt“, sagt die Politikerin zu dem Vorgang. Christoph Schmidt-Lunau