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Panzerkreuzer Potemkin UdSSR 1925, R: Sergei Eisenstein, K: Wladimir Popow, Eduard Tisse / Stummfilm mit Live-Musikbegleitung durch das Orchester Tuten & Blasen

Der Stummfilmklassiker ist heute noch so revolutionär wie 1925: In Form und Inhalt überwindet Panzerkreuzer Potemkin das Althergebrachte. Die revolutionären Matrosen richten die Kanonen gegen beides: die alte Ordnung der Ästhetik und der Gesellschaft.

Der Spielfilm erzählt die Geschichte eines Matrosenaufstandes, gegen Schikanen, Schleiferei und Ungerechtigkeiten, auf dem Panzerkreuzer Potemkin, der vor der Hafenstadt Odessa liegt. Der Film hat mit seinen für die damalige Zeit ungemein schnellen, für heutige Sehgewohnheiten angenehm dynamischen Filmschnitten einen tollen Bilderrhythmus. Die Bevölkerung von Odessa solidarisiert sich mit den aufständischen Matrosen, versorgt sie mit Lebensmitteln. Die zaristische Diktatur setzt gegen sie Kosaken in Marsch. Unter den starken, mit Wucht und Schwung durchkomponierten Szenenfolgen ist eine lange berühmt: Die Treppensequenz. Zum Hafen hinunter führt in Odessa eine breite Steintreppe. Im Film versammelt sich hier die aufständische Menschenmenge, die etwas Gemeinsames, Großes darstellt. Lachend wird zum Panzerkreuzer herüber gewunken. Da nahen in strenger Marschlinie die Kosaken des Zaren. Mit aufgepflanzten Bajonetten gehen sie gegen die Menge vor, marschieren die Treppe hinab. In einer minutenlangen Folge von Schnitt und Gegenschnitt sind schießende, vorrückende Kosaken und fliehende, auch getroffen fallende Menschen zu sehen. Durch geschickte Montage wirkt die Treppe viel länger als in Wirklichkeit. Noch heute stehen TouristInnen an der Treppe und wundern sich, wie kurz die ist.

Überall war Umbruch, Befreiung, Erprobung von neuem in der Kultur der Oktoberrevolution. Sergej Eisenstein entwickelte gemeinsam mit anderen in diesem Aufbruch das Konzept der Attraktionsmontage, bei welcher ein Filmschnitt zum Mittel der Gegenüberstellung, der Anregung zur Assoziation wird. Weg vom ästhetisierenden bürgerlichen Spektakel, hin zur parteilichen, sich solidarisierenden Wahrnehmung. Wie so vieles aus den revolutionären Aufbruchsjahren wurde auch die Attraktionsmontage nach dem Sieg der stalinschen Konterrevolution in den dreißiger Jahren als „formalistisch“ abgelehnt. Aber Eisenstein beteiligte sich wie etliche revolutionäre Kunstschaffende und Bolschewiki nicht an dem stalinschen Personenkult.

Jetzt ist der wohl bekannteste sowjetische Revolutionsfilm im Rahmen eines Filmkonzertes mit Tuten & Blasen als Freilichtkino zu sehen. Tuten & Blasen, das achtzehnköpfige Orchester, das schon auf vielen Demonstrationen spielenderweise mitgelaufen ist, vertont live „Panzerkreuzer Potemkin“. Eisenstein hat sich gewünscht, dass jede Generation eine neue Vertonung für den Film erfindet. Es gibt Eigenkompositionen von Tuten & Blasen auf die Ohren.   GASTON KIRSCHE

Do, 21 Uhr, Zeise Kinos Open-Air, Rathaus Altona, Innenhof, Zugang Betty-Levi-Passage