wortwechsel: Einheit von Körper, Geist und Seele
Die „doppelte Widerspruchslösung“ ist gescheitert, vorher aber haben die Leser*innen über die Organspende noch heftig diskutiert. Auch die „Kügelchen“ erregen die Gemüter
Homöopathiestreit
„Gescheiterter Stuhlkreis“,
taz vom 15. 1. 20
Ulrich Schulte schreibt unter anderem: „Homöopathie wirkt nicht über den Placeboeffekt hinaus, die wissenschaftliche Evidenz ist erdrückend. In der Frage kann es keinen Kompromiss geben, sondern nur eine eindeutige Antwort.“ Diese Aussage mag zutreffen, wenn man ausschließlich als Grundlage nimmt, was gemeinhin als westlich-rational angesehen wird. Medizin und ihre Wirkungen können demnach nur dann als bewiesen gelten, wenn es mit unserem Weltbild übereinstimmt. Was in dieses Weltbild nicht passt, kann also auch nicht funktionieren. Umgekehrt gefragt, wird vielleicht deutlicher, worum es in der Frage der Homöopathie geht. Möglicherweise liegen ihr ja Mechanismen zugrunde, die wir mit unseren heutigen technisch-wissenschaftlichen Kenntnissen (noch) nicht belegen können. Kann es nicht geben? Oh doch, denn in den vergangenen Jahrhunderten hat die Medizin oft genug Kenntnisse gewonnen, die vorher ausgeschlossen wurden; auch deshalb, weil die Wissenschaft vorangeschritten ist. Was dabei vor allem im Westen verloren gegangen ist, ist die Einheit von Körper, Geist und Seele – hin zu Geräten und teurer Medizin, die oftmals auch nicht viel mehr zu leisten vermögen als viele Naturheilmittel. Es gibt zudem sogar eine hochmoderne potenzielle Basis für theoretische Modelle zur Homöopathie, nämlich die Quantenmechanik mit ihren Unschärfen und Unsicherheiten. Die als Grundlage annehmend, kann ich mir durchaus eine wissenschaftliche Grundlage für Homöopathie vorstellen. Was mich weiterhin wundert, ist der offenbar immer noch vorhandene Wahrheitsanspruch des Westens. Ich nenne hier mal nur die Akupunktur, die immer noch nicht als Medizin anerkannt ist, weil unsere Wissenschaftler nicht hinter die Grundlagen kommen, jedenfalls noch nicht. Gleichwohl hilft Akupunktur faktisch sehr vielen Menschen, und das trifft auch auf andere traditionelle asiatische Medizin zu wie Ayurveda. Passt alles nicht in unser westliches Weltbild, klar, aber mit mehr Offenheit hier könnte unser Gesundheitssystem womöglich billiger und auch effizienter werden als mit Blockaden und immer mehr Milliarden für Pharmakonzerne und immer teurere Medikamente.
Jörg Wilhelm, Wiesbaden
Wichtigere Themen
„Globuli wirken doch“,
taz vom 15. 1. 20
Also ehrlich, ich bin ein echter Fan der taz-Headlines! Aber die Homöopathiedebatte der Grünen auf der Titelseite? Inhaltlich habe ich zur Homöopathie keine eindeutige Haltung. Meinen Kindern hat sie früher geholfen und sie von ewigen Antibiotikabehandlungen befreit, noch bevor sie die Bedeutung des Wortes Placebo erfassen konnten. Ob das nun wissenschaftlich belegbar wäre? Wahrscheinlich nicht. Jedenfalls wurde der Krankenkasse einiges an Behandlungskosten erspart, und der Gesundheit der Kinder war es sicher nicht abträglich. Die Kosten für die alternative Behandlung mussten sowieso privat geleistet werden. Für die Schulmedizin müssen wir sicher alle dankbar sein, die Kosten unnötiger Behandlungen – zum Beispiel mit Antibiotika – werden allerdings kaum diskutiert. Die der Homöopathie sind ja nun wirklich zu vernachlässigen. Das nur am Rande, zurück zu der Frage, was die taz-Redakteure treibt, sich an hervorgehobener Stelle mit dieser Debatte zu beschäftigen. Gibt es da irgendeinen Privatkrieg? Mir würden wirklich zahlreiche wichtigere Themen einfallen. Ich finde es ärgerlich und überflüssig!
Sigrid Meurer, Berlin
Pro und kontra
„Gescheiterter Stuhlkreis“,
taz vom 15. 1. 20
Ich habe auch schon in der taz sowohl Pro- als auch Kontra-Beiträge zur Wirkungsweise der Homöopathie gelesen. Die taz hat es einfacher als die Grünen: Man kann in einer Ausgabe das schreiben und in der nächsten jenes, man kann sogar auf verschiedenen Seiten verschiedene Meinungen publizieren. Das ist dann liberal und meinungsoffen.
Da es sich bei Gutgehen und Heilung um subjektive Empfindungen handelt, ist das mit der „Wirkungsweise“ der Globuli eigentlich nicht zu entscheiden. Dass Krankenkassen homöopathische „Arzneien“ rückerstatten oder übernehmen, hat was mit den Serviceleistungen der einzelnen Kasse zu tun – und nicht mit Wissenschaft.
Es gibt Dinge im Leben, die man nicht einfach mit einem Entweder-oder lösen kann – manches geht nur mit einem Sowohl-als-auch. Ich bin der Meinung, jeder sollte seine Globuli in erster Linie selbst bezahlen – und wenn die Kasse freiwillig da etwas rückerstattet, dann sind das Serviceleistungen, und die kann jede Kasse leisten, ohne Herrn Spahn fragen zu müssen …
Eddy Wieand, Bielefeld
Ungefragt Organspender
„Sollen wir alle Organspender*innen sein?“,
taz vom 14. 1. 20
Wenn in diesen Tagen unsere Abgeordneten im Bundestag dem neuen Transplantationsgesetz von Spahn zustimmen, fällt eine der letzten Bastionen menschlicher Ethik. Jeder Bürger unseres Landes wird künftig ungefragt zum Organspender, sofern er dies nicht rechtzeitig schriftlich verweigert. Man spricht stets von einer Organspende nach dem Tod, verschweigt aber in täuschender Absicht, dass ein Herz, um für eine Transplantation geeignet zu sein, bei der Entnahme noch schlagen muss. Die Politik entscheidet also großzügig über den Tod. Dabei täte es doch gut, erst einmal den Arzt oder Apotheker zu befragen, denn es berichten uns die Medien in diesen Tagen, allerdings eher am Rande, dass in Deutschland die Vorräte an lebenswichtigen Medikamenten zur Neige gehen. Die Pharmaindustrie hat zu sehr auf Gewinn gesetzt und billig im Ausland produzieren lassen, wobei die Kontrollen nicht ausreichend zu sein schienen. Schon jetzt sind über 240 Präparate in unseren Apotheken nicht mehr lieferbar. Nachschub ist nicht in Sicht, es droht ein Chaos. Makaber dabei ist, dass uns gerade jetzt auch die Medikamente ausgehen, die ein Patient mit einem fremden Herzen zum Überleben braucht.
Spahn braucht seine Bühne, seine Schau. Der Bürger aber bezahlt in diesen Tagen teuer für dieses Theater, schlimmstenfalls mit seinem Leben.
Hans-Walter Roth, Ulm
Privatangelegenheit
„Sollen wir alle Organspender*innen sein?“,
taz vom 14. 1. 20
Menschen zu zwingen, sich zu einem fremdbestimmten Zeitpunkt mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen, ist schon fragwürdig. Es gibt Menschen, bei denen schon der Gedanke an den Tod Panik auslöst. Menschen zu einem fremdbestimmten Zeitpunkt, ungeachtet des Alters und der aktuellen Lebensumstände, auch noch zu der schwierigen Entscheidung hinsichtlich Organspende zu zwingen, bedeutet aber, sie in dieser wichtigen Frage unter Druck zu setzen, sie zu einer Entscheidung zu nötigen, deren Tragweite unter diesem Druck gar nicht wirklich erfasst werden kann. Wer sich hier absichern möchte, müsste schon allein prophylaktisch Widerspruch einlegen. Wie kann außerdem garantiert werden, wenn überhaupt, dass bei digitaler Registrierung des Widerspruchs und beim Abruf der Datenbank kein technischer oder sonstiger Fehler passiert. Insbesondere bei Menschen, die keine Angehörigen mehr haben, die gegebenenfalls Kontrollfunktion ausüben könnten, wäre das Risiko nicht zu hundert Prozent auszuschließen, dass jemand, der in Wirklichkeit einen Widerspruch eingelegt hat, irrtümlich als Organspender gilt. Bei der bisherigen Lösung mit dem (Nicht-)Organspendeausweis bleibt die höchstpersönliche Entscheidung Privatan-gelegenheit, bis der Fall der Fälle kommt, der die Feststellung rechtfertigt.
Gerlinde Seidel, Wilhelmsfeld
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