Eine Frage der Tonne

Möbel haben plötzlich Ladegeräte eingebaut, Nudeln sind nicht mehr in Plastik verpackt und ein Tampon besteht aus Biobaumwolle. Wenn sich Müll verändert, wirft das Fragen auf. Vor allem: Wohin mit ihm?

Von Svenja Bergt
(Text) und Katharina Kulenkampff (Illustrationen)

Papiermüll, Plastikmüll oder doch besser in die graue Tonne? Verbraucher:innen können an dieser Frage schon mal verzweifeln und das ist auch kein Wunder. Denn selbst Expert:innen widersprechen sich in einzelnen Fällen (siehe kleine Texte). Dass die Entsorgungsfrage so schwierig ist, hat zwei Gründe. Der erste: Nach welchem Kriterium entscheidet man überhaupt, wo welches Müllstück landet? Da gibt es nämlich zwei unterschiedliche.

Die Unentschlossene: Nudeln in Papier-Plastik

Muschelnudeln aus Hartweizengrieß, in denen sich so gut dickflüssige Soße fängt. Ein ziemliches Standardprodukt also. Wäre da nicht die Verpackung: Sie fühlt sich ungewohnt an. Weniger knistrig als Plastik, aber haptisch deutlich weniger voll als Papier. Auflösung bringt die Pressesprecherin des Herstellers Byodo: Ein Mix aus Papier und Plastik, in der Fachsprache „papierkaschierte Folie“. Plastik aus Gründen des Produktschutzes, weil aus Papier auch Schadstoffe übergehen können. Papier, weil kein Plastik. Der Plastikanteil der Verpackung ist damit laut dem Unternehmen von 100 auf 37,2 Prozent gesunken.

Nur was die Entsorgung angeht, wird es komplizierter. Laut Hersteller kann die Verpackung über den Plastikmüll entsorgt werden. „Papierverpackungen mit einem geringeren Kunststoffanteil als 5 Prozent sollen in die Papiertonne. Alle anderen in den gelben Sack oder die gelbe Tonne“, sagt Ines Oehme, Leiterin des Fachgebiets Produktverantwortung beim Umweltbundesamt. Bernhard Schodrowski vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser-, und Rohstoffwirtschaft sieht die Verpackung dagegen eher im Restmüll. Der Grund: Im Recyclingprozess ließen sich die beiden Bestandteile der Verpackung nicht wieder trennen – das ist, nebenbei, auch eines der großen Probleme der meisten To-go-Becher. Aus Recyclingsicht sei in so einem Fall eine reine Plastikverpackung günstiger.

Eines ist das juristische Kriterium. Also: Was gehört nach den gesetzlichen Grundlagen in welchen Abfallbehälter? Das Umweltbundesamt beispielsweise bewertet die Müllfrage zuallererst nach diesem Kriterium. Das kann allerdings zu absurden Situationen führen. Zum Beispiel, dass die Plastikverpackung mit dem grünen Punkt in die gelbe Tonne muss, der Plastik-Kleiderbügel aber nicht rein darf. Daher gibt es das zweite Kriterium: die stoffliche Verwertung. Die schaut darauf, dass ein Müllstück in der jeweiligen Tonne zu dem Recycling-Ort kommt, an dem es auch verwertet werden kann. Wirft jemand also den Plastik-Kleiderbügel in die Verpackungstonne, obwohl er da juristisch gesehen nicht reingehört, sprechen Expert:innen von einem „intelligenten Fehlwurf“.

Der zweite Grund für die Tonnenverwirrung: Die Abfallentsorgung in Deutschland ist kommunal organisiert. Das erklärt auch, warum Verbraucher:innen dafür ganz unterschiedlich hohe Gebühren zahlen. Was also die eine Recyclinganlage vielleicht noch verwerten oder zumindest heraussortieren kann, findet die andere nicht. Bester Ansprechpartner für die Frage, was am besten in welcher Tonne landet, sind daher die kommunalen Entsorger. Die reagieren auch sehr unterschiedlich auf Fehlwürfe. Mancherorts sind sie großzügiger oder die Müllwerker:innen räumen auch noch mal per Hand einen Sack in eine andere Tonne. Woanders wird– nach einer Verwarnung – der Abfallbehälter nicht abgeholt.

Öko-Spülschwamm heißt das Produkt und wirbt mit seinen Bestandteilen: Cellulose, Sisalfasern und recyceltem Plastik. Laut Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe gilt trotzdem: „Die Materialkombination ist nicht recyclingfähig.“ Restmüll also. Ines Oehme vom Bundesumweltamt bringt die Wertstofftonne, in die etwa Plastikverpackungen gehören, ins Spiel. „Durch die Materialmischung hängt es aber von der jeweiligen Technik der Sortierung und Aufbereitung ab, ob hier ein Recycling möglich ist.“ Sonst landet der Schwamm in dem, was beschönigend „thermische Verwertung“ heißt: in der Müllverbrennung.

Nun gäbe es eigentlich eine einfache Möglichkeit: Hersteller könnten dazu verpflichtet werden, auf die Verpackung zu schreiben, wie hoch der Anteil von recyclingfähigem Material ist und in welche Mülltonne sie grundsätzlich gehört. Daran haben die Hersteller aber überhaupt kein Interesse. Denn dann müssten sie eingestehen, dass auch Verpackungen, die (juristisch) in die gelbe Tonne oder den gelben Sack gehören, nicht immer recycelt werden. Und der Gesetzgeber müsste eingestehen, dass das aktuelle System nicht ganz ausgereift ist: Händler müssen Verpackungsmaterial für Endkunden lizenzieren und Verbraucher:innen beim Kauf von Produkten indirekt schon für die Entsorgung der Verpackung mitzahlen.

Die Tüte aus Erdölplastik hat es gerade nicht leicht. Ebenso wenig wie die Gabel aus Erdölplastik, Becher aus Erdölplastik, Kugelschreiber und Zahnbürsten aus Erdölplastik. Daher setzen Hersteller zunehmend auf Bioplastik. „Wenn ‚bio‘ draufsteht, verkauft es sich besser“, sagt Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe. Dabei ist in den meisten Fällen nicht einmal klar, was in dem Produkt eigentlich drin steckt: Ein Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen, zum Beispiel Zuckerrohr, der aber chemisch funktioniert wie ein Erdölkunststoff? Oder ein Kunststoff, der zwar biologisch abbaubar ist, aber aus fossilen Rohstoffen besteht?

Klingt verwirrend, ist aber wichtig: Denn je nachdem sollte das Material im Plastikmüll (Ersteres) oder im Restmüll (Letzteres) entsorgt werden. Das gilt dementsprechend auch für Biomülltüten, die als biologisch abbaubar beworben werden. Denn selbst, wenn sie theoretisch kompostierbar sind: In der Praxis verrotten die Tüten nicht in der Geschwindigkeit, die die Kompostierungsanlagen einem Kompostzyklus zugestehen. Also: Wenn Apfelgriebsch und Bananenschale schon längst zu Kompost geworden sind, ist die Tüte immer noch da. In den meisten Kommunen gilt daher: Auch die Bioplastiktüte bitte ausleeren.

Wie kompliziert das System ist, verdeutlicht auch das bereits erwähnte Kleiderbügel-Beispiel, es ist laut Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe noch absurder: Wurde der Plastikbügel gekauft und ist nach jahrelanger Benutzung zerbrochen, gehöre er – juristisch – in den Restmüll. Hat jemand aber einen Wintermantel gekauft und der wird mit Kleiderbügel geliefert, dann sei der Bestandteil der Verpackung. Und damit ein Fall für die gelbe Tonne.

Bei allem Recycling-Perfektionismus verweist Fischer auf zwei Punkte, die gerne vergessen werden. Erstens: „Nicht alles, was aus Papier ist, ist umweltfreundlicher.“ Denn Papier sei schwerer, was sich beim Transport bemerkbar mache und die Papierherstellung alles andere als ein umweltfreundlicher Prozess. Am Ende sei daher vor allem eines wichtig: „Die beste Verpackung ist die, die gar nicht erst hergestellt wird.“

Die Evolution: Glühbirnen zu LEDs

Bei Glühbirnen war die Antwort noch einfach: Ab in den Restmüll mit dem Ding. Energiesparlampen und LED-Leuchten dürfen da nicht rein, denn sie enthalten unter anderem Metalle, die recycelt werden können. Wertstoffhöfe nehmen die Leuchten daher an, in vielen Supermärkten gibt es aber auch kleine Boxen für die Entsorgung.

Die Naturnahe: Verpackung mit Grasanteil

Nein, es ist keine Pappschale, in der die Pflaumen im Supermarkt verkauft werden. Sondern eine Schale aus Pappe und Graspapier – Papier aus grünem Gras. Wohin mit dem Zeug, wenn es entsorgt werden soll? „Papierverpackungen mit Gras­anteil dürfen, insofern der Kunststoffanteil geringer als 5 Prozent ist, in der Papiertonne entsorgt werden, sonst gelber Sack oder gelbe Tonne“, sagt Ines Oehme vom Umweltbundesamt. Auch Thomas Fischer, Abfallexperte der Deutschen Umwelthilfe, sagt: „In den Papiercontainer.“ Er sagt: Die Auswirkungen für die Umwelt seien bei Graspapier etwas geringer als bei langsam wachsenden Holzfasern.

Der Bewusste: Tampon aus Biobaumwolle

Es gibt mittlerweile Tampons, die nicht den üblichen Kunststoffanteil haben, zum Beispiel im Rückholbändchen, sondern komplett aus Baumwolle bestehen. Aus Biobaumwolle. Ein Fall für den Restmüll bleiben sie dennoch. Das liegt am Kompostierprozess. „Zwar findet in der Regel eine Hygienisierung statt“, sagt Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe, die Kompostiermasse erreicht dabei über mehrere Tage eine Temperatur von 60 Grad, dennoch aber bestehe ein Restrisiko, dass sich Keime hielten. Daher gelte: auch Verschnodderte Taschentücher, nicht in den Bio-, sondern in den Restmüll. Küchentücher aus Papier, mit denen nur über den Tisch gewischt wurde, könnten dagegen gern in den Papiermüll. Denn die Fasern aus diesen reißfesten Papierprodukten ließen sich gut recyceln.

Der Early Adopter: Möbel mit Induktionslader

Es kann ein Nachttisch sein, eine Küchenzeile oder der Beistelltisch für die Couchgarnitur im Wohnzimmer. Nur, dass es sich eben nicht einfach um vier Beine plus Holzplatte handelt. Denn irgendwo unter der Oberfläche befindet sich ein kleines Kästchen samt Stromkabel: Ein eingebautes Induktionsladegerät, auf das Nutzer:innen ihr Telefon nur noch auf den Tisch legen müssen, und schon wird es aufgeladen. Damit wird, soll der Tisch eines Tages entsorgt werden, das ganze Möbelstück zu Elektroschrott. Am Weg zum Recyclinghof führt dann nur noch das Ausbauen des Ladegeräts vorbei. Da dessen Kantenlänge dann unter 21 Zentimetern liegen dürfte, kann es, wie auch andere Kleinelektrogeräte einfach in einem Elektronikmarkt abgegeben werden. Der Tisch muss dann trotzdem zum Sperrmüll.

Der neue Scheiß: Kompostierbare Kottüten

Bei so vielen Möglichkeiten, den Hundekot zu verpacken, ist es eigentlich erstaunlich, dass es noch keine Hundekotbeutel-Pop-up-Stores in die Szenebezirke geschafft haben. Nicht nur Beutel aus konventionellem Plastik gibt es, frisch aus Erdöl produziert. Sondern auch aus Altplastik, aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais oder Zuckerrohr und aus Pappe, was zusammengefaltet eher wie die Verpackung eines Schokoriegels aussieht. Für die Entsorgung sind die äußeren Werte an dieser Stelle egal: Hundekot kann Krankheitserreger enthalten, die auch für Menschen gefährlich werden können. Salmonellen zum Beispiel oder Würmer. Daher gehört er in den Restmüll. Auf gar keinen Fall haben vermeintlich kompostierbaren Tüten samt Inhalt etwas in der Natur zu suchen. „Die Beutel würden sich häufig nicht einmal unter industriellen Bedingungen abbauen, in der Natur schon gar nicht“, sagt Fischer.