Jeden Tag Paprika

Mit Biokost, eigenen Hühnern, Obstbäumen und Gemüsebeet will eine private Schule bei Lüneburg ihren Schülern eine gesunde Ernährungsweise beibringen und ihr Umweltbewusstsein stärken

von Eva Weikert

Desserts wie die grüne Götterspeise „meiden wir fast völlig“, sagt Axel Schmidt-Scherer. Zum Nachtisch gebe es zumeist Quark oder Joghurt mit Früchten – „auch wenn die Schüler da zurückhaltender sind“, berichtet der Leiter des Internats Marienau. Die Pädagogen der im Niedersächsischen zwischen dem Wendland und der Lüneburger Heide gelegenen Privatschule wollen Übergewicht und falsche Ernährung bei ihren Zöglingen bekämpfen. „Deutsche Schüler werden zu dick“, so Schmidt-Scherer, „das liegt auch am hiesigen Schulsystem.“ In Marienau wird darum hauptsächlich bio gekocht. Snickers und Mars gibt‘s im Schülerkiosk nur mit Erlaubnis der Schulkonferenz.

Schon zehn bis 20 Prozent der deutschen Schulanfänger sind Experten zufolge übergewichtig. Schmidt-Scherer sieht den Grund in Bewegungsmangel, Medienkonsum und falscher Ernährung, in der Süßigkeiten dominieren. „Schulen müssen darum gesunde Lebensweise stärker fördern“, so der Pädagoge.

Die private Lehrstätte Marienau, die ein staatlich anerkanntes Gymnasium und einen Internatsbetrieb führt, kann sich Qualitätsessen leisten. 2.000 Euro kostet ein Internatsplatz monatlich, externe Schüler zahlen knapp 400 Euro. Staatliche Schulen, räumt denn auch Schmidt-Scherer ein, könnten sich die teurere Biokost und eine eigene Küche finanziell nicht erlauben, sondern seien auf das billigere Catering angewiesen.

Marienau ist Mitglied der Vereinigung der Deutschen Landerziehungsheime und steht in der Tradition der Reformpädagogik. „Nach dem Motto ,Lernen mit Kopf, Herz und Hand‘ ist es unser Ziel, die Schüler ganzheitlich zu erziehen“, so der Leiter, „zu einem vernünftigen Umgang mit Menschen und Natur.“ Obwohl privat sei das Haus „nicht elitär“. Zwischen 25 und 30 Prozent der Schüler schicke das Jugendamt aus Problemfamilien in die von der Jugendhilfe anerkannte Einrichtung.

Die hauseigene Mensa mit 20 Mitarbeitern versorgt jeden Mittag 200 Schüler und Lehrer mit einer warmen Mahlzeit. Im täglichen Angebot sind Fleisch-, vegetarische und vegane Gerichte. Dafür werden hauptsächlich Produkte der Region verarbeitet, die aus Bioanbau und artgerechter Tierhaltung stammen, wie der Internatsleiter erklärt. Die Frühstückseier liefern die schuleigenen 20 Freilandhühner. Ein Teil des Gemüses – Porree, Möhren und Tomaten – stammt aus dem Schulgarten. Die Obstbäume darin liefern Pflaumen und Äpfel.

Gesunde Ernährung ist nur ein Teil des Öko-Gedankens, den ein Vorgänger Schmidt-Scherers, der Grünen-Gründungsvater Wolf-Dieter Hasenclever, in den 90er Jahren im pädagogischen Konzept der Schule verankerte. Die Schule sei bewusst in „intakter Natur“ gelegen, so der aktuelle Leiter, damit die oftmals aus der Großstadt stammenden Schüler jene schätzen lernten. Im Unterricht würden Öko-Themen und „ganzheitliche Projekte“ bevorzugt, erklärt er und nennt als ein Beispiel die Sonnenkollektoren auf dem Schuldach, welche im Unterricht von den Schülern entwickelt wurden.

Auch die Pflege von Garten und Hühnern wird den Schülern selbst überlassen, für den Verkauf der Eier ans Internat bekommen sie Geld. „So fördern wir einen bewussten Umgang mit Nahrungsmitteln“, sagt Schmidt-Scherer.

Im Winter, wenn die Region weniger hergibt, bricht das Internat sein Gebot des ressourcenschonenden Umgangs mit der Natur. Auf Importe wird nicht verzichtet: Gemüse aller Art und Salat gebe es das ganze Jahr, so Schmidt-Scherer: „Man kann den Öko-Gedanken nicht puristisch von A bis Z durchhalten.“ Im schülerbetriebenen Kiosk habe die Schulkonferenz darum auch „nach Richtungskämpfen“ den Verkauf von konventionellen Schokoriegeln neben den Öko-Süßigkeiten erlaubt.