Thatchers Enkel, Blairs Erbe

David Cameron liebt das Risiko. Als er sich vor vier Jahren vor den konservativen Parteitagsdelegierten für die Parteiführung bewarb, hielt er seine Rede völlig frei und legte einen so hinreißenden Auftritt hin, dass er sofort als Favorit dastand und gewann. Seine gestrige Grundsatzrede zum Abschluss des konservativen Wahlparteitags war erneut eine Bewerbungsrede: für das Amt des Premierministers. Denn voraussichtlich werden die britischen Konservativen die Wahlen 2010 gewinnen. Nach ersten Eindrücken hat er den Test bravourös bestanden, einen Tag vor seinem 43. Geburtstag.

Cameron ist der erste Konservative seit Margaret Thatcher vor 31 Jahren, der aus der Opposition heraus eine reelle Chance auf die Macht hat. Er personifiziert eine junge englische Rechte, die den Thatcherismus nicht prägte, sondern von ihm geprägt worden ist.

Die Oberfläche täuscht. Cameron ist ein direkter Nachkomme von König Wiliam IV. im 19. Jahrhundert, er ging auf das Elite-Internat Eton und auf die Elite-Universität Oxford, wo er dem berüchtigten rechten Rauf- und Saufverein „Bullingdon Club“ angehörte, ebenso wie sein Freund Boris Johnson, heute Bürgermeister von London. Aber als er 2001 Abgeordneter wurde, galt Cameron als Vertreter einer neuen libertären Unbefangenheit, die sich weder ständig für Thatcher entschuldigt noch alten Zeiten anhängt. Sein erster parlamentarischer Vorstoß betraf die Legalisierung von Drogen, sein Talent zur Selbstdarstellung erinnerte an Tony Blair.

Cameron als Blair-Kopie zu sehen, sagt mehr aus über das veränderte politische Klima Großbritanniens als über Cameron. In den 1990er Jahren war Labour das natürliche Sprungbrett für politische Talente, heute sind es die Konservativen. Camerons Daseinsberechtigung besteht wie die Blairs darin, dass er seine Partei nach einem tiefen Fall wieder regierungsfähig macht.

Seine Bewerbungsrede als Premier hielt Cameron gestern vor dem Hintergrund eines blauen Himmels mit Schönwetterwolken, aber er versprach nicht das Blaue vom Himmel. Es ging um das Einstellen auf harte Zeiten, um das Überwinden des verrotteten Labour-Erbes. Die Delegierten jubelten. Der Sieg scheint sicher. DOMINIC JOHNSON