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USA und Iran auf Kriegskurs

Sollte der Iran als Vergeltung für den Tod des Generals Soleimani US-Ziele attackieren, droht US-Präsident Trump mit weiteren Angriffen. Das löst wütende Kritik aus – auch in den USA

Trauer und Racheschwur: In Teheran gingen am Sonntag Zehntausende wegen des getöteten Kommandeurs der Revolutionsgarden auf die Straße Foto: Ebrahim Noroouzi/ap

Von Bernd Pickert

Drei Tage nach dem tödlichen US-Drohnenangriff auf den iranischen General Qasim Soleimani beim Bagdader Flughafen in der Nacht zum Freitag stehen die Zeichen weiter auf Eskalation. Noch am Freitag hatte Irans Revolutionsführer Ali Chamenei eine „furchtbare Rache“ angekündigt. Der General der Revolutionsgarden, Abuhamseh, sagte, 35 US-Stellungen in der Region und in der israelischen Stadt Tel Aviv lägen in Reichweite des Iran.

In der Nacht zum Sonntag meldete sich US-Präsident Donald Trump auf Twitter: Sollte Iran US-Amerikaner oder amerikanische Interessen angreifen, hätten die USA „52 iranische Ziele identifiziert (für die 52 amerikanischen Geiseln, die Iran vor vielen Jahren genommen hat), einige davon von sehr großer Bedeutung und sehr wichtig für Iran und die iranische Kultur, und diese Ziele und Iran selbst WERDEN SEHR SCHNELL UND SEHR HART GETROFFEN WERDEN. Die USA wollen keine Bedrohungen mehr!“

Im US-amerikanischen Fort Bragg bereiteten sich derweil über 3.000 Soldaten auf ihre sofortige Entsendung in die Golfregion vor – die größte Verlegung seit vielen Jahren.

In den USA selbst führten die Drohungen auch zu Kritik. Die linke demokratische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez schrieb auf Twitter: „Das ist ein Kriegsverbrechen. Damit zu drohen, unschuldige Familien, Frauen und Kinder anzugreifen und zu töten – und das tut, wer Kulturgüter angreifen will –, macht dich nicht zum ‚starken Typen‘. Es macht dich nicht zum ‚Strategen‘. Es macht dich zum Monster.“ Auch Chris Murphy, demokratischer Senator aus Connecticut, bezeichnete als Kriegsverbrechen, womit Trump drohe. Es sei der Moment gekommen, vor dem man sich immer gefürchtet habe: Ein instabiler Präsident, dessen erfahrene Berater allesamt gekündigt hätten, lasse ausländische Führer umbringen und drohe mit der Bombardierung von Zivilisten. „Ein Albtraum!“ schrieb Murphy.

Susan Rice, Nationale Sicherheitsberaterin unter Barback Obama, schrieb in der New York Times, selbst wenn man der Argumentation folge, die Tötung Soleimanis sei ein Akt der Selbstverteidigung, sei sie strategisch unklug – denn US-Amerikaner würden dadurch kein Stück sicherer. Der Iran könne gar nicht anders, als heftig zu reagieren, was US-Amerikaner in Gefahr bringe.

Nancy Pelosi, die demokratische Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, beklagte öffentlich, vor dem Angriff nicht informiert worden zu sein. Üblicherweise unterrichten US-Präsidenten vor derartigen Militäraktionen vertraulich die Spitzen beider Parteien im US-Kongress. Trump schickte stattdessen erst im Nachgang eine Erklärung an den Kongress. Das Dokument, schrieb Pelosi in einer Erklärung, werfe „ernsthafte und drängende Fragen nach dem Timing, der Art und der Rechtfertigung“ der US-Militäraktion auf.

Im US-amerikanischen Fort Bragg bereiteten sich derweil über 3.000 Soldaten auf ihre sofortige Entsendung in die Golfregion vor

Sowohl in den USA als auch in Europa wurde auch die Frage diskutiert, ob die Tötung des Generals durch irgendeine internationale Rechtsnorm gedeckt ist. Zahlreiche Völkerrechtsexperten verwiesen darauf, dass die Ermordung eines ausländischen Regierungsvertreters, ob zivil oder militärisch, allenfalls während eines erklärten Kriegszustandes legitim sein kann, anderenfalls aber als Staatsterrorismus anzusehen sei. Diesen Begriff verwendet auch Irans Führung in einem Protestbrief an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.

Der britische Außenminister Dominic Raab will Anfang der Woche seine deutschen und französischen Amtskollegen Heiko Maas und Yves LeDrian treffen, um die Lage zu beraten. Großbritannien, Frankreich und Deutschland waren 2015 Unterzeichnerstaaten des Atomdeals mit dem Iran, aus dem sich die USA 2018 zurückzogen und stattdessen einen Wirtschaftskrieg gegen Iran begannen. Seit Freitag sind aus Europa lediglich Bekundungen der Besorgnis und vorsichtige Aufrufe zur Mäßigung an beide Seiten zu hören gewesen.

Im Iran nahmen am Sonntag Zehntausende an ersten Trauerkundgebungen für den getöteten Kommandeur der Revolutionsgarden und ihrer Al-Kuds-Elitetruppen teil. Seine Leiche war aus dem Irak überführt worden. Am Montag soll in Teheran die zentrale öffentliche Trauerzeremonie stattfinden, an der sich wohl mehrere Hunderttausend Menschen beteiligen werden.