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Radeln statt reden

Wat mutt? Dat mutt! (5) Im letzten Teil unserer Serie sagen Akteurinnen und Akteure der Zivilgesellschaft,was 2020 wichtig wird. Heute: Lisa Pörtner (Greenpeace), Katja Muchow (BUND), Jonas Daldrup („Bremen erneuerbar“). Sie fordern, dass Bremen das Versprechen umsetzt, das Klima zu schützen

In Bremen würden Radfahrer*innen noch zu oft an den Rand gedrängt wie hier auf der Stephani-Brücke, sagen Klimaexpert*innen Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Von Lisa Pörtner, Jonas Daldrup und Katja Muchow

Die Klimakrise ist keine ferne Zukunft mehr, sondern längst da. Sie wird sich weiter verschärfen, mit immer dramatischeren Folgen. Obwohl die wissenschaftlichen Erkenntnisse eindeutig sind und zum unmittelbaren und entschiedenen Handeln auffordern, spricht die internationale Gemeinschaft nicht mit einer Stimme – der Klimagipfel in Madrid ist gerade kläglich gescheitert. Dabei brauchen wir nichts dringender als den politischen Willen, auf lokaler und internationaler Ebene endlich die notwendigen Maßnahmen umzusetzen.

2019 war ein Jahr neuer erschütternder Erkenntnisse

Zur Erinnerung: Die Jahre 2015 bis 2019 waren laut Vereinten Nationen die heißesten seit Beginn der Aufzeichnungen, nie zuvor waren so viele Treib­hausgase in der Atmosphäre wie jetzt. Und das, obwohl seit Jahrzehnten über Maßnahmen zum Klimaschutz verhandelt wird. Der Weltklimarat IPCC sendet mit seinen aktuellen Berichten eine eindringliche Mahnung: Uns bleibt nur noch wenig Zeit, um die schlimmsten Folgen der Klimakrise zu verhindern. Die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas heizt unseren Planeten immer weiter auf, ebenso die industrielle Landwirtschaft. Durch diese hat die Menschheit zudem bereits massiv fruchtbare Böden verloren, ursprüngliche Lebensräume zerstört und ein Artensterben ausgelöst, das mit dem Aussterben der Dinosaurier vergleichbar ist. In seinem Ozean-Sonderbericht stellt der IPCC außerdem klar: Die Meere werden wärmer und saurer, mit gravierenden Folgen für die dortige Tier- und Pflanzenwelt. Der Meeresspiegel steigt schneller als bislang angenommen und schwere Überschwemmungen nehmen zu. Gerade in küstennahen Städten wie Bremen und Bremerhaven sollte das aufhorchen lassen.

Die ausgeprägte Hitze und Dürre der letzten beiden Jahre spürten die Bürger*innen auch hierzulande. Insbesondere alte und kranke Menschen litten unter den unerträglichen Temperaturen. Der wirtschaftliche Schaden etwa durch Ernteausfälle war in einigen Regionen Deutschlands immens. In anderen Teilen der Welt bedrohen Dürren, Starkregen und Meeresspiegelanstieg schon heute die Lebensgrundlagen vieler Menschen. Oft trifft es diejenigen besonders hart, die in Armut leben und weniger als andere zur Klimakrise beitragen. Dabei ist das, was wir aktuell erleben, erst der Anfang.

Jonas Daldrup,

37, ist Wissenschaftler und leitet „Bremen erneuerbar“.

2019 war auch ein Jahr kraftvoller Proteste

Nicht nur in der Umwelt, auch in der Zivilgesellschaft werden deutliche Veränderungen sichtbar. Mit der Jugendbewegung Fridays for Future gingen in diesem Jahr Millionen junger Menschen weltweit auf die Straßen. Immer mehr Bürger*innen verlassen ihre Komfortzone und fordern schnelle politische Entscheidungen. Zum Klimastreik am 20. September erlebte Bremen mit etwa 40.000 Teilnehmer*innen die größte Demonstration seit Jahrzehnten. Im Vorfeld der Bremischen Bürgerschaftswahlen fanden viele Aktionen zum Thema statt, es wurden Forderungen überreicht und Flashmobs organisiert. Umwelt- und Klimaschutz sind so präsent wie lange nicht und haben in Bremen wie auch europaweit Wahlen mitent­schieden.

Nicht zuletzt haben sich die Bremer Organisationen und Initiativen im Bereich Klimaschutz stärker vernetzt. Durch enge Abstimmung und gemeinsames Handeln im Rahmen von Klimanetzwerken und Streikbündnissen hat sich die Schlagkraft der Bewegung in unserer Stadt noch erhöht.

Während sich ein immer stärkeres gesellschaftliches Engagement abzeichnet, fehlen bisher mutige politische Entscheidungen, die der Dringlichkeit unserer Lage auch nur annähernd angemessen erscheinen. 80 Prozent CO2-Minderung bis 2030 hat die neue Bremer Landesregierung aus SPD, Grünen und Linken im Koalitionsvertrag versprochen. Sie muss nun rasch konkrete Maßnahmen zum Erreichen dieses Ziels umsetzen, wenn sie die klimapolitische Glaubwürdigkeit der Bremer Politik nicht vollends verspielen möchte. Denn statt die CO2-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren, wie die vorherige rot-grüne Landesregierung es sich zum Ziel gesetzt hatte, werden – Stand 2016 – nur 15 Prozent erreicht! Diese Zahlen machen deutlich, dass ehrgeizige Zielsetzungen allein nicht zum Erfolg führen.

Gleich zu Beginn des neuen Jahres muss Bremen die Klimanotlage ausrufen

2020 müssen Weichen für die Zukunft gestellt werden

Die Eckpunkte im Koalitionsvertrag lesen sich vielversprechend – Klimaschutz zieht sich wie ein roter Faden durch den Text. Wenn die neue Regierung ihre Versprechen diesmal wirklich ernst nimmt und sich schnell an die Umsetzung macht, könnte das kommende Jahr den vielen Bremer*innen, die derzeit besorgt in die Zukunft blicken, neue Zuversicht geben.

Uns kommt es vor allem auf folgende Punkte an: Gleich zu Beginn des Jahres muss Bremen die Klimanotlage ausrufen und alle künftigen Maßnahmen und Projekte des Senats unter den Klimavorbehalt stellen.

privat

KatjaMuchow,

49, ist stellvertretende Geschäftsführerin des BUND

Der Kohleausstieg in Bremen muss endlich festgeschrieben werden: Bis spätestens 2023 muss Bremen raus aus der Kohle. Zeitgleich braucht der Ausbau erneuerbarer Energien im Land neuen Schub – etwa durch ein Sofortprogramm für Solardächer.

Die kürzlich vorgelegten Teilstrategien des Verkehrsressorts für eine Bremer Verkehrswende mit einer autofreien Innenstadt müssen ohne Verzögerung im nächsten Jahr weiter vorangetrieben werden. 2020 müssen für die Menschen in Bremen bereits erste Schritte hin zu einer Reduzierung des Autoverkehrs und die Stärkung von Radfahrer*innen erkennbar sein.

Nachgebessert werden sollte in den Bemühungen um mehr Umweltbildung. Der Klima- und Umweltschutz muss fest in den Lehrplänen verankert, das öffentliche Bildungsangebot gestärkt werden. Dazu gehört auch der Erhalt etablierter Stadtteilprojekte zum Klimaschutz wie der Klima-Werk-Stadt oder die Klimazone Findorff.

LisaPörtner,

35, ist Ärztin und Sprecherin von Greenpeace Bremen.

Maßnahmen wie diese müssen bei den Haushaltsverhandlungen vorrangig eingeplant werden. Wenn es um Fragen der Finanzierung geht, wird sich zeigen, wie stark der politische Wille von SPD, Grünen und Linken in Sachen Klima- und Umweltschutz tatsächlich ist.

Politik für ein klima­neutrales Bremen für alle

Wir fordern mutige politische Entscheidungen, die sich nicht am kurzfristigen eigenen Vorteil orientieren. Nur so können wir erreichen, dass Bremen seinen Beitrag zum Klimaschutz leistet und damit noch lebenswerter wird – mit mehr artenreichem Stadtgrün, weniger versiegelten Flächen, mehr Radfahrer*innen und Fußgänger*innen und weniger Autolärm und Feinstaub. Weniger Worte, mehr Taten – das sollte das Motto in Sachen Klimaschutz für das nächste Jahr sein. Dabei dürfen klimapolitische Maßnahmen bestehende soziale Ungerechtigkeiten nicht weiter verschärfen. Dieses Argument darf aber nicht dazu führen, dass der Klimaschutz weniger ambitioniert vorangetrieben wird – die Folgen der Klimakrise sind alles andere als sozial ausgewogen.

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