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Caro Cult über Babylon Berlin„Es war so wild und so offen“

Caro Cult feiert mit einer Hauptrolle in der neuen Staffel von „Babylon Berlin“ ihren Durchbruch. Über den Wandel des Frauenbilds und die Besonderheiten von Berlin.

Caro Cult – in Babylon Berlin spielt sie in der 3. Staffel die Rolle der Vera Lohmann Foto: Dominik H. Müller
Evan Tepest
Interview von Evan Tepest

taz am wochenende: Frau Cult, in der dritten Staffel von „Babylon Berlin“ spielen Sie Vera, eine Tänzerin und Schauspielerin, die, wie viele Frauenfiguren in der Serie, zwischen Freiräumen und gesellschaftlicher Repression um ihre Emanzipation kämpft. Wie drückt sich das in Ihrer Rolle aus?

Caro Cult: Vera ist ängstlich, aus guten Gründen. Und dennoch weiß sie genau, was sie will, und macht klare Ansagen. Das ist bemerkenswert, auch für die Zeit. In den 20ern mussten sich Frauen zwar noch unterordnen, sie litten auch unter extremen wirtschaftlichen Härten. Trotzdem glaube ich, dass sie in den 20ern einen kurzen Aufschwung hatten, bevor es einen gesellschaftlichen Rückschlag gab, auch was die Rechte von Homosexuellen anbelangte. Nach dem Zweiten Weltkrieg standen Frauen wieder unter der Fuchtel von Männern. Heute kämpfen wir immer noch dafür, dass die Welt, in der wir leben, keine komplette „Men’s World“ mehr ist.

Wie haben Sie sich auf die „Babylon“-Szenerie vorbereitet?

Ich habe viel recherchiert, das geht bei so einem historischen Setting gar nicht anders. Das Tolle am Dreh war, dass es riesige Freiräume gab und wir als Team neue Ideen einbringen konnten. Mit Tom Tykwer, mit dem ich die meisten Drehtage hatte, habe ich etwa eine neue Szene erarbeitet. Allein dafür muss man sich mit der Zeit intensiv beschäftigt haben.

Sie wohnen in Berlin. Hat die Arbeit an „Babylon Berlin“ Ihrem Leben hier eine neue historische Perspektive hinzugefügt?

Es ist verrückt, sich an bestimmten Orten vorzustellen, was hier vor 100 Jahren passiert ist. Damals war alles so wild und so offen. Natürlich haben sich die Leute auch viele Ernsthaftigkeiten weggefeiert, die sozialen Probleme, die politischen Auseinandersetzungen. Die Nachricht war: Nimm dich selbst nicht so ernst. Diese Freiheit und Toleranz, diese Leichtigkeit und Fröhlichkeit macht für mich immer noch die Stadt aus, insofern sind die Goldenen Zwanziger noch immer präsent. Ich bin mit 17 Jahren nach Berlin gezogen, um hier meine Schauspielkarriere zu verfolgen. Die Stadt hat mich schon von Anfang an gepackt mit ihrer Diversität an Menschen und an Identitäten.

Im Interview: Caro Cult

Jahrgang 1994, stammt aus Hannover und lebt seit acht Jahren in Berlin. Die Schauspielerin ist in der dritten Staffel der Serie „Babylon Berlin“ als Vera Lohmann zu sehen. Sie ist außerdem Aktivistin für Tierrechte.

Die dritte Staffel von „Babylon Berlin“ spielt rund um den Börsencrash 1929, also vor dem Hintergrund wirtschaftlichen Niedergangs und zunehmender politischer Gewalt. Neben aller Offenheit stehen also die Verfolgung von Minderheiten und die soziale Entbehrung. Und im heutigen Berlin wurde vor wenigen Tagen ein junges lesbisches Paar in einer Tram zusammengeschlagen. Sehen Sie in dieser Spannbreite eine weitere Parallele zwischen den 1920ern und heute?

Die Welt basiert leider auf Gegenpolen. Und die verzweifelte Suche nach Identität, nach der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, ist oft eine auf falschen Werten gegründete Reaktion auf gesellschaftliche Veränderung und Vielfalt. Zum Glück gibt es in Berlin so viele Menschen, die sich für Toleranz engagieren.

„Babylon Berlin“ hat viel Zuspruch erhalten für seine queere Diversität, die Darstellung der Schwulen-, Lesben- und Travestieszene in der Stadt. Und auch Vera ist in ihrer Sexualität fluide …

Leider darf ich dazu nichts verraten, ohne zu spoilern! Nur so viel: Es war sehr schön, mit Liv Lisa Fries (der Darstellerin von „Charlotte Ritter“, Anm. d. Red.) das zu zaubern, was wir gezaubert haben. So ging es mir übrigens auch mit Ronald Zehrfeld, dessen Rolle Walter Weintraub der zweite wichtige Bezugspunkt für Vera ist. Dass sie so viel Diversität in sich vereint, ist für mich eines der größten Geschenke an der Rolle. Denn ich als Caro finde es absurd, mich derart einzuschränken und zu sagen: Ich stehe nur auf Männer.

Sie sind überzeugte Veganerin und setzen sich öffentlich für Tier- und Klimaschutz ein. Wie ist es um die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit in der Filmbranche bestellt?

Da hat sich extrem viel getan in den letzten zwei Jahren. Ich lebe vegan, seitdem ich 18 bin, und ungefähr so lange drehe ich auch schon Filme. Damals wurde ich noch häufig verwundert gefragt: Was isst du denn dann? Wenn ich inzwischen an Sets komme, sind dort fast achtzig Prozent des Teams vegetarisch, fast die Hälfte ernährt sich inzwischen vegan. Bei „Babylon Berlin“ gab es zwei komplett vegane Drehtage. Das ist das Einfachste, was jeder von uns gegen den Klimawandel tun kann: bewusster mit Massentierhaltung umgehen.

Wie sieht es über das Catering hinaus mit der Nachhaltigkeit aus?

Es gibt immer mehr grüne Produktionen, die ihren Teams nahelegen, mit dem Zug zu fahren, statt zu fliegen, die weniger Drehbücher ausdrucken. Ich fahre jede Strecke, die ich kann, mit dem Zug. Und so machen es viele meiner Kollegen. Wenn du nicht wirklich am nächsten Tag irgendwo hinmusst, weil deine Oma 80 wird, musst du nicht in ein Flugzeug steigen. Inlandsflüge finde ich absurd.

Wenn man sich anschaut, wo Sie im kommenden Jahr so zu sehen sein werden, müssen Sie im vergangenen Jahr sehr viel Bahn gefahren sein: Neben „Babylon Berlin“ spielen Sie die Hauptrolle in der im Frühjahr 2020 erscheinenden Netflix-Serie „Biohackers“, außerdem sehen wir Sie im Februar in Simon Verhoevens Kinofilm „Nightlife“ und im Sommer im Kieler „Tatort“. War 2019 also Ihr Durchbruch?

Ich bin wahnsinnig dankbar dafür, wie das letzte Jahr gelaufen ist. Und obwohl ich schon einige Jahre im Business bin, bin ich auch immer noch sehr aufgeregt und denke: Hoffentlich habe ich nichts verhauen, hoffentlich habe ich gut gespielt.

Die Serie

Die dritte Staffel „Babylon Berlin“ läuft ab 24. Januar auf Sky und im Herbst in der ARD.

„Babylon Berlin“ ist sehr düster, seine Film-Noir-Ästhetik durchzieht ein realitätsverzerrender Grundton. Warum begeistert das so?

Es gibt viele Besonderheiten, die an das heutige Berlin erinnern. Aber was Projekte am Ende des Tages erfolgreich macht, ist die Liebe, die dahintersteckt. Bei „Babylon Berlin“ zieht sich das durch jedes Department, von dem Kostümbildner Pierre-Yves Gayraud über das Szenenbild von Uli Hanisch bis hin zu den Regisseuren. Es war einer der besondersten Drehs, die ich je miterleben durfte.

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