Hotelbranche und Bürokratie: Zettelwirtschaft wird digital
Der digitale Meldeschein soll ab 2020 in Hotels die Zettel aus Papier ersetzen. Der Polizei erleichtert dies den Zugriff auf die Daten.
Wer sich in einem Hotel an der Rezeption anmeldet, muss seit Jahrzehnten erst einmal einen speziellen Meldeschein ausfüllen. Name, Adresse, Geburtstag, Staatsangehörigkeit werden abgefragt. Seit 2015 können die Daten bereits vorab digital eingetragen werden. Doch der Gast muss bisher immer noch persönlich unterschreiben. Bei Ausländern muss das Hotel auch den Pass kontrollieren. Das Hotel muss die ausgedruckten Meldescheine dann ein Jahr aufbewahren. Das alles ist im Bundesmeldegesetz geregelt.
Die Hotelmeldepflicht soll die Aufklärung und Verhütung von Straftaten erleichtern. Zugriff auf die Daten haben die Polizei und die Staatsanwaltschaft (nicht aber der Verfassungsschutz). Mit Hilfe der Meldescheine könnten zum Beispiel Alibis überprüft werden. Stammt die Unterschrift wirklich vom Verdächtigen? Finden sich auf dem Meldeschein Fingerabdrücke oder DNA-Spuren?
Als die Bundesregierung Ende 2018 von der FDP gefragt wurde, wie oft die Hotelmeldepflicht zu Fahndungserfolgen führte, hieß es aber nur, dazu habe die Regierung „keine Erkenntnisse“. Datenschützer fordern schon lange die Abschaffung der Hotelmeldepflicht.
500 Tonnen Papier pro Jahr
Für die Hotels ist die Zettelwirtschaft ein Ärgernis. Pro Jahr werden in deutschen Beherbergungs-Betrieben rund 150 Millionen Meldescheine ausgefüllt. Gewicht: rund 500 Tonnen. Für Anschaffung, Hilfe beim Ausfüllen, Speichern und Vernichten der Meldescheine rechnet die Hotelwirtschaft mit jährlichen Kosten in Höhe von 100 Millionen Euro.
Die Bundesregierung hat auf die Klagen der Hotels nun zum Teil reagiert. Ab 2020 können Hotels volldigitale Meldescheine verwenden – die nicht mehr ausgedruckt und unterschrieben werden müssen. So sieht es das dritte Bürokratieentlastungsgesetz vor, das im Bundestag in diesem Herbst beschlossen wurde. Statt einer Unterschrift ist künftig eine Verknüpfung mit dem Zahlungsvorgang erforderlich – wenn dieser mittels Kreditkarte erledigt wird. Alternativ kann der Personalausweis an speziellen Lesegeräten digital ausgelesen werden. Die Unterschrift per Stift oder Finger auf einem Hotel-Tablet genügt nicht.
Die Polizei dürfte vom digitalen Meldeschein eher profitieren. Anders als bisher können Inländer nicht mehr einfach Phantasienamen und Phantasieadressen angeben. Die Authentifizierung durch digitale Dokumente ist stärker als mit einer bloßen Unterschrift. Und da die Polizei die Daten künftig maschinenlesbar anfordern kann, erleichtert dies die Auswertung und wird den Zugriff vermutlich vervielfachen.
Allerdings hält sich der Bürokratie-Abbau noch in Grenzen. Manche Pension liegt zwar idyllisch, hat aber kein stabiles Internet und kann daher die neuen Möglichkeiten gar nicht nutzen. Viele Inhaber von Kleinhotels und Ferienwohnungen scheuen auch die Anschaffung neuer Geräte. Die Bundesregierung rechnet deshalb nur mit rund 50 Millionen digitalen Meldescheinen, also nur rund einem Drittel der Gesamtzahl. Ansonsten bleibt es beim alten Zettelsystem.
Grüne fordern Abschaffung
Die Grünen im Bundestag haben darum beantragt, die Hotelmeldepflicht ganz abzuschaffen. Sie sei eine Art frühe Vorratsdatenspeicherung, die „alle Hotelgäste als potenzielle GefährderInnen und StraftäterInnen“ einstufe. Mehr Datenschutz könnte also gleichzeitig zu einer nachhaltigen Entbürokratisierung führen.
Die FDP will im Januar einen ganz ähnlichen Antrag in den Bundestag einbringen. Chancen haben die Initiativen aber nicht. Der Innenausschuss und der Tourismusausschuss des Bundestags haben vorige Woche für die Ablehnung des Grünen-Antrags votiert.
Aus rechtlichen Gründen könnte die Hotelmeldepflicht nur für Inländer sofort abgeschafft werden. Für „Ausländer“ (einschließlich EU-Bürgern) ist die Pflicht im Schengener Durchführungsabkommen von 1990 festgeschrieben. Eine Abschaffung der Hotelmeldepflicht nur für deutsche Staatsbürger lehnt die Beherbergungs-Branche allerdings ab. „Sonst wäre ja die erste Frage im Hotel ‚Sind Sie Ausländer?‘“, warnt der Hotel-Dachverband Dehoga.
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