Minister räumt Sextourismus ein, verneint Pädophilie

FRANKREICH Kulturminister Frédéric Mitterrand gerät durch Polanski-Affäre selbst massiv unter Druck

PARIS taz | „Berührend“, „ehrlich“, „überzeugend“: So werten SprecherInnen von rechts und links am Tag danach den TV-Auftritt von Kulturministerin Frédéric Mitterrand. Der Fraktionschef der rechten Mehrheitspartei im Parlament, Jean-François Copé, würdigt, dass der Minister „mit allergrößter Kraft die Pädophilie und den Sextourismus verurteilt“ habe. Auch PS-Sprecher Benoît Hamon gibt zu, dass Mitterrand „extrem klar“ gewesen sei.

Bloß die rechtsextreme Front National (FN) verlangt am Freitag weiter Mitterrands Rücktritt. Vizechefin Marine Le Pen: „Er hat gelogen. Er muss gehen“. Ihr Vater und FN-Chef Jean-Marie Le Pen muss aber im Radio zugeben, selbst Kunde von Prostituierten gewesen zu sein: „Allerdings nicht in Thailand. Und auch nicht bei Männern.“

Mitterrand geriet ins Visier der Moralapostel, nachdem er sich Ende September vehement auf die Seite des franko-polnischen Filmregisseurs Roman Polanski gestellt hatte. Polanski sitzt in der Schweiz in Haft. Die USA verlangen seine Auslieferung, um ihn wegen der Vergewaltigung einer 13-Jährigen vor mehr als dreißig Jahren vor Gericht zu bringen. Dass Mitterrand die Freilassung Polanskis verlangte und von einem „unerträglichen Vorgang“ sprach, nahmen ihm viele übel. Nachdem auch US-Außenministerin Hillary Clinton mitteilte, dass dafür nur die Justiz zuständig sei, krebste Mitterrand zurück: „Meine Aufgabe als Kulturminister ist es, die Künstler zu verteidigen. Egal, was sie getan haben“.

Da hatte in Paris die Vizechefin der FN schon das Potenzial für eine Mitterrand-Affäre entdeckt und zitierte aus Mitterands Buch „La mauvaise vie“ von 2005. Darin setzt er sich mit seiner Homosexualität auseinander und beschreibt auch Bordellszenen mit „Jungen“ in Thailand. Die FN, um die es zuletzt ruhig geworden war, schaffte es mit dem Thema in die Medien zu kommen. Auch Sprecher der oppositionellen PS griffen es auf. „Ich finde es schockierend, dass ein Mann im Schutz der literarischen Erzählung den Sextourismus rechtfertigt“, sagte Hamon. Frankreich sei zu der Zeit, als Mitterrand sein Buch schrieb, mit Thailand gegen den Sextourismus vorgegangen. Am Tag nachdem Mitterrand im Fernsehen zugegeben hat, Fehler gemacht zu haben, aber keineswegs der Pädophilie schuldig zu sein, wollen die Spitzen der rechten Mehrheit in Paris glauben, die Affäre sei erledigt. „Jeder hat ein Recht auf eine zweite Chance“, sagt Justizministerin Michèle Alliot-Marie. Doch dürfte die Affäre bei den nächsten Wahlen Folgen haben. DOROTHEA HAHN