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Abstraktion bis nichts mehr bleibt

Im Künstlerhaus hat Daniel Neubacher ein Modell der Kunst errichtet: ein Werk ohne Eigenschaften

Von Radek Krolczyk

So muss man sich wohl eine Kunst ohne Eigenschaften vorstellen: als Lehrstelle für Kunst, als ihr Modell. Der Bremer Künstler Daniel Neubacher hat zum Abschluss seines Atelierstipendiums in die Galerie des Künstlerhauses so eine Lehrstelle erarbeitet. Doch wie kann man sich ein solches Kunstmodell vorstellen? Kann man das überhaupt? Modelle abstrahieren schließlich vom Konkreten und Besonderen, sie verallgemeinern, reduzieren auf das Nötigste. Nun aber sind Kunstwerke immer individuell, sie verfügen über besondere Eigenschaften, die sonst nichts und niemand anderes besitzt.

Und worauf sollte man sie reduzieren, wenn ihre zentralen Momente gleichzeitig die überflüssigsten sind? Wie also ein Modell von Kunst aussehen könnte, ist weit schwieriger vorstellbar, als jedes andere Modell. Von was auch immer.

Kunstwerke nämlich zeichnet gegenüber allen anderen Dingen dieser Welt aus, dass sie keine richtigen Gebrauchsgegenstände sind, dass sie zumindest nicht darin aufgehen. Daniel Neubacher hat sich nun kein möglichst abstraktes Modell für Kunst ausgedacht, sondern ein bereits existierendes in den Ausstellungsraum übertragen. Es ist ein durchsichtiger Kasten, in dem zwei lebensgroße Pappfiguren in Rückenansicht vor violettfarbenen Leinwänden stehen.

Um den Modellcharakter komplett zu machen, ist eine der Rückenfiguren männlich, die andere weiblich; eine der Leinwände hängt vertikal, die andere horizontal. Für die wohl einzige andere denkbare Kunstform, welche unbedingt die Kleinplastik sein wird, steht eine Gruppe leerer weißer Sockel bereit. Tatsächlich sind Modelle für Kunst überhaupt nicht neu.

In Einrichtungshäusern hängt in den simulierten Zimmern stets stellvertretend für Kunst ein Plakat von Andy Warhol; in Micky-Maus-Heften stehen stets kubistische Plastiken als Modelle für moderne Kunst in den Museen herum.

Neubacher wurde 1985 in Nürnberg geboren und schloss sein Kunststudium als Meisterschüler von Jean-FrançoisGuiton 2016 ab. Immer wieder beschäftigte er sich in seinen künstlerischen Arbeiten mit der Ästhetik des Digitalen. Hier hat auch die Installation, die er im Künstlerhaus zeigt, ihre Herkunft. Denn dieses Modell hat tatsächlich sehr viel mit einer Stockfotografie zu tun, wie man sie bei Onlineagenturen wie Shutterstock findet.

In der Galerie dehnt es sich zwar räumlich aus, durch die umgebenden Scheiben sind die möglichen Ansichten jedoch reduziert und vorbestimmt. Ein Störmoment allerdings hat Neubacher in seine Arbeit eingebaut, und dieses ist bezeichnenderweise künstlerisch, konkret malerisch: an den Scheiben klebt der Markenname Shutterstock, der als digitales Wasserzeichen die angebotenen Bilder unbrauchbar macht. Neubacher hat jedoch die hellblaue Klebefolie dahinter hängen lassen, wodurch sich tatsächlich eine malerische Geste ergibt.

All diese Eigenschaften und Probleme eines Kunstmodells werden zum Thema, indem Neubacher es nun in einem Kunstkontext ausstellt – in den es bezeichnenderweise überhaupt nicht hineingehört.

Bis 19. 1. 20, Künstlerhaus

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