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: Saudisches Gericht spricht Urteil im Fall Jamal Khashoggi

Fünf Todesurteile, drei Haftstrafen, drei Freisprüche: Ein Gericht hat nach dem Mord am Journalisten Khashoggi Schuldige benannt. Wer zum Tode verurteilt wurde, ist nicht bekannt

Das Neue

Fünf Todesurteile, drei Haftstrafen, drei Freisprüche: Mit dieser Gerichtsentscheidung vom Montag will Saudi-Arabien einen Schlussstrich unter den Fall des ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi ziehen. Erstmals hat ein saudisches Gericht damit Schuldige benannt. Wer von den Angeklagten zum Tode verurteilt wurde, ist bislang jedoch nicht klar. Die Namen sollen erst bekannt gegeben werden, wenn die Urteile rechtskräftig sind. Noch können die Verurteilten Berufung einlegen. Zwei prominente Angeklagte, der mittlerweile entlassene Vize-Geheimdienstchef Ahmed al-Asiri und der ehemalige saudische Konsul in Istanbul Muhammad al-Utaibi, wurden nach Angaben der saudischen Tageszeitung Arab News freigesprochen. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft betonte derweil, dass die Entscheidung, Jamal Khashoggi zu töten, erst im saudischen Konsulat in Istanbul gefallen sei. Demnach kann niemand – auch nicht die Führungsebene in Saudi-Arabien – vorher von der Tat davon gewusst, geschweige denn sie geplant haben.

Der Kontext

Am 2. Oktober 2018 wollte Jamal Khashoggi, der als Kolumnist in den USA lebte, Unterlagen im Konsulat in Istanbul abholen. Er verließ das Gebäude jedoch nicht mehr. Wochen später räumte die saudische Regierung ein, dass er ermordet wurde. Der türkische Geheimdienst, der das Konsulat ausspioniert hatte, hatte ausgewählten Medien häppchenweise Informationen zugespielt und Saudi-Arabien in Erklärungsnot gebracht. Im Januar begann in Riad ein Prozess gegen elf Personen, die an der Tat beteiligt gewesen sein sollen. Saudi-Arabiens Kronprinz Muhammad bin Salman betonte stets, nichts von einem Mordplan gewusst zu haben. Kritiker argumentieren dagegen, der Mord, für den nach Informationen der UN-Sonderberichterstatterin Agnès Callamard extra ein Killerkommando in die Türkei eingeflogen wurde, hätte nicht ohne die Kenntnis der saudischen Führung stattfinden können.

Die Reaktionen

Erste Reaktionen auf das Urteil fielen vernichtend aus: Agnès Callamard, die den Fall im Rahmen eines Mandats des UN-Menschenrechtsrats untersucht hatte, sprach vom „Gegensatz von Gerechtigkeit“. Sie twitterte: „Die Drahtzieher kommen nicht nur frei. Sie sind von den Ermittlungen und dem Prozess kaum berührt worden.“ Das Urteil sei eine Farce. Auch die Organisation Reporter ohne Grenzen teilte am Montag mit, sie befürchte, „dass damit die Wahrheit über die eigentlichen Drahtzieher vertuscht werden soll“.

Die Konsequenz

Ob die Todesurteile tatsächlich vollstreckt werden, ist derzeit noch unklar. Zunächst müssen ohnehin die Berufungsverfahren abgewartet werden. Unabhängig davon ist es unwahrscheinlich, dass der Fall je restlos aufgeklärt wird. Bemühungen, eine internationale strafrechtliche Untersuchung in die Wege zu leiten, gibt es keine. Für eine solche hatte sich unter anderem UN-Sonderberichterstatterin Agnès Callamard ausgesprochen. Ihre Untersuchung stellte keine strafrechtliche Ermittlung dar. Jannis Hagmann