Wo warst du, als Di starb?
Herz und Krone

ENDE Vor fünfzehn Jahren starb Diana, Prinzessin von Wales, bei einem Unfall in Paris. Die Welt geriet aus den Fugen

■ Der Termin: Vor 15 Jahren, am 31. August 1997, starb Prinzessin Diana bei einem tragischen Autounfall in Paris.

■ Die Geschichte: Mit ihrem Lover Dodi Al-Fayed im Auto raste die Exfrau von Prinz Charles, auf der Flucht vor Paparazzi, durch die Pariser Nacht. In einem Tunnel unter dem Place de l’Alma krachte der Fahrer gegen einen Pfeiler. Der Tod von Lady Di war ein globales Ereignis: angeblich 2,5 Milliarden Menschen haben ihre Beerdigung live am Bildschirm verfolgt.

VON KLAUS HILLENBRAND

Sonntag, 1. September 1997, 8.00 Uhr, der Radiowecker klingelt, Lady Di ist in der Nacht mit Höchstgeschwindigkeit im Tunnel gestorben und der Tag ist gelaufen. Will heißen: Ich weiß, wie der Tag laufen wird.

Der Tod von Lady Di geschah redaktionstechnisch günstig in der Nacht zum Sonntag, was uns die Zeit schenkte, ausführlich über eine umfängliche Berichterstattung nachzudenken. Das konnte nicht gut gehen.

Uiiiiii, was legten wir uns ins Zeug! Ralf Sotscheck, unser hilfloser Irland-Korrespondent, wurde verdonnert, gleich zwei ellenlange Texte zu verfassen, Afrika-Experte Dominic Johnson kümmerte sich nicht länger um Afrika, sondern ergriff sein britisches Herz und lieferte eine krisenkulturelle Gesamtgeschichte des Königshauses ab. Am Ende standen zwei volle Seiten und dazu der Aufmacher der Seite eins. Wir waren stolz, dass die kleine taz-Sonntagscrew das Thema so gut gestemmt hatte.

Und am nächsten Tag? Da wusch uns die Redaktionskonferenz, verdrießlich gestimmt wie verlässlich an jedem Montag bis auf die heutige Zeit, ordentlich den Kopf. Was das denn solle, das halbe Blatt mit diesem irrelevanten Unsinn zu füllen? Ob wir vielleicht lieber zur Bunten wechseln wollten?

Doch von solchen Zwischenfällen lassen sich Nachrichtenredakteure nur kurzfristig beeinflussen. Natürlich blieben wir am Thema dran. Bis zur Beerdigung von Lady Di fünf Tage später entstanden insgesamt 17 Artikel. Und am Schluss gab’s sogar taz-exklusiv ein Bild von Immendorff auf der Seite eins! Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.

PS: Lady Di hat mich noch nie sonderlich interessiert.

Fucking Dead

VON ALEM GRABOVAC

Damals studierte ich in London an der Guildhall University und wohnte in einem Studentenwohnheim im East End. Am frühen Morgen kamen Cathy und Linda, meine zwei Mitbewohnerinnen, von einer ihrer berühmt-berüchtigten Partynächte nach Hause. Sie waren vollkommen betrunken, hatten sich wahrscheinlich mal wieder jede nur erdenkliche Droge reingeworfen und schrien die ganze Zeit: „Die verfickte Prinzessin ist tot, mausetot! Die königliche Familie soll gefickt werden!“

Cathy und Linda drehten die Anlage auf, feierten den Tod von Lady Di und forderten „den verfickten Deutschen“, also mich, und den „verfickten Bangladeschi“ Rashid, einen weiteren Zimmernachbar, dazu auf, mit ihnen mitzufeiern. Rashid war über diese Ruhestörung überhaupt nicht amused und beschimpfte die zwei lautstark „als verfickte englische Huren“. „Mann, Rashid“, schrien Cathy und Linda zurück, „die verfickte englische Hure Prinzessin Diana ist mit ihrem verfickten arabischen Lover bei einem Autounfall gestorben. Jetzt komm mal wieder runter. Wir wollen das doch nur ein wenig feiern.“

Rashid glaubte ihnen kein Wort, bezeichnete die beiden nochmals „als verfickte englische Huren“ und ging dann wieder zurück in sein Zimmer. Kurz danach fielen Cathy und Linda in ihren drogenumnebelten Schlaf.

Paparazzi-Fotos

VON ISABEL LOTT

Die Nachricht von Lady Dianas Unfall hörte ich nachts im Radio. Zuerst wurde berichtet, sie sei schwer verletzt, ihr Zustand kritisch. Morgens war sie tot und ich seltsam berührt. Über Lady Di wurde damals in allen Medien so massiv berichtet, dass ich den Eindruck hatte, mehr über sie zu wissen als über meine Bekannten. Mein Fernseher lief heiß, weil ich mir fast zwanghaft alle Sendungen der Diana-Festspiele anschaute.

Ich habe mir auch viele Zeitungen und Zeitschriften gekauft, die über den Tod von Lady Diana berichteten. Die Mehrzahl der Fotos in diesen Zeitschriften – das weiß ich, weil ich selbst Fotoredakteurin bin – wurden von Paparazzis gemacht, die für den Unfall in Paris verantwortlich waren. Lady Di wurde damit zum prominentesten Opfer eines pervertierten Verständnisses von Pressefreiheit. Seit ihrer Verlobung mit Prinz Charles wurde sie von Fotografen belästigt und verfolgt. Aber Paparazzifotos werden verkauft und veröffentlicht und sichern vielen Medien ihre Auflage oder Einschaltquote. Namhafte Fotoagenturen müssen heute ihren anspruchsvollen Bildjournalismus über Paparazzifotos querfinanzieren. Die Fotos der sterbenden Diana wurden damals auf dem Markt angeboten. Bis heute hat sich kein Medium getraut, sie zu veröffentlichen, trotz Aussicht auf eine gigantische Auflagensteigerung.

Liebe – Wahnsinn

VON WALTRAUD SCHWAB

Else, es war Else, die sagte: „Lady Di ist tot.“ Ich antwortete: „Du spinnst.“ „Doch, doch, ein Unfall, die Liebe, der Wahnsinn.“ – Wo sie das gesagt hat? Vergessen. Wir hatten beide damals Liebeskummer. Wir waren nah dran, am Drama.

Besser erinnere ich mich an die Beerdigung. Ich saß allein in der Fabriketage, wo wir zu fünft wohnten, und schaute mir die Übertragung im Fernsehen an. Ein Samstag war’s – normalerweise wurde in der WG da geputzt. Das Regime war streng. Nur an diesem einen Tag stand eine Ausnahme auf dem Plan: Statt Putzen gab es Paddeln. Wir waren an irgendeinem See verabredet. Längst schon. Ich aber saß wie angenagelt vor dem Bildschirm. Die Trauermusik, die tragenden Worte, Rose of England, candle in the wind, der Chor, der sang, du kommst, du gehst – es ging mir unter die Haut. Heulend saß ich auf dem Boden. Es war so toll, die Welt und den Schmerz zu fühlen. Ich weinte mich leer.

Zum Paddeln kam ich zu spät. Es gab Ärger. Was? Hockst die ganze Zeit vor dem Fernseher? Wegen der Kuh? Rührung, Berührung, sie verstanden es nicht.