Kölner Kampf

Nicht sonderlich schön, aber effektiv: Der 1. FC Köln besiegtBayer Leverkusen, weil er sich auf alte Tugenden besinnt

Geste der Befreiung: Markus Gisdol bejubelt das 2:0 der Kölner gegen den Lokalrivalen Foto: dpa

Aus Köln Daniel Theweleit

Eine kleine finale Derbyspitze setzte Peter Bosz noch bevor er sich mit seiner Mannschaft auf den kurzen Heimweg auf die andere Rheinseite hinüber nach Leverkusen begab. „Ich glaube, wenn man nicht für Köln oder für Leverkusen war, dann hat man den Fernseher heute ausgeschaltet, das war kein Fußball heute“, sagte der Trainer der Werkself nach der 0:2-Niederlage in Müngersdorf.

Damit deutete Bosz an, dass die Kölner in seinen Augen nicht einmal an guten Tagen zu Leistungen in der Lage sind, die der Niederländer als Fußball betrachtet. Vielleicht zählt diese leise Arroganz zu den Ursachen für den überraschenden Spielausgang. Die Kölner jedenfalls waren mächtig stolz, ganz egal, welche Noten ihnen für Stil und Haltung gegeben wurden. Sie sangen und tanzten, es war ein ganz wunderbarer Tag gewesen, genau genommen sogar der beste während des bisherigen Saisonverlaufs. „Wir haben ein richtig gutes Spiel gemacht und verdient gewonnen“, sagte Kölns Geschäftsführer Horst Heldt.

Der 1. FC Köln hat den letzten Tabellenplatz verlassen und erstmals ein Spiel gewonnen, seit Markus Gisdol das Team trainiert. Nicht mit einem kunstvollen Spiel, aber mit einem wohl überlegten Plan, der aufgegangen ist. „Wir wollten frischen Spirit reinbringen“, sagte Gisdol, als er gefragt wurde, warum er in inmitten einer existenziellen Krise neben den unerfahrenen Ismail Jakobs, 20 und Noah Katterbach, 18, dem erst 17 Jahre alten Jan Thielmann zum Debüt in der Bundesliga verholfen hatte. Tatsächlich wirkte die Mannschaft homogen und entschlossen, wie lange nicht. Diese Jungs seien „nicht ganz so verkopft wie der eine oder andere Erfahrene“, erklärte Jonas Hector.

Aber es gab noch ein zweites Motiv: Nachdem zuletzt immer deutlicher sichtbar geworden war, dass viele Gegner diesen Kölnern körperlich schlicht überlegen waren, spielten nun die Sprinter, Kämpfer und Dauerläufer, die im Kader zu finden sind. „Wir haben selten so intensiv gespielt diese Saison und deshalb haben wir endlich mal das Glück gehabt“, sagte Dominick Drexler. Diesmal wurde ihnen kein Treffer aufgrund einer sehr engen Entscheidung des Videoschiedsrichters aberkannt, was bei Jhon Cordobas 1:0 (73.) drohte, weil in der Entstehung des Tores eine sehr knappe Abseitsentscheidung getroffen werden musste. Vor allem aber profitierten sie davon, auf einen Gegner zu treffen, der nie eine angemessene Haltung zu dieser Partie fand.

„Wir wollten frischen Spirit reinbringen“

Köln-Coach Markus Gisdol

Boszs Anmerkung, dass dem begeisterten Publikum „kein Fußball“ geboten worden sei, trifft nur zu, wenn dieser Sport zuallererst eine Angelegenheit für Ästheten und Strategen ist. Wer den Fußball hingegen mag, weil es hier möglich ist, mit Hingabe und großen Emotionen fußballerisch klar überlegene Gegner zu besiegen, der wurde gut unterhalten. Die entscheidende Wendung gaben dieser Partie die Leverkusener Aleksandar Dragovic und Leon Bailey, die sich beide so sehr vom Kölner Widerstand und der aufgeladenen Stimmung stressen ließen, dass sie vom Platz flogen. Dragovic hatte bei seiner ersten gelben Karte Pech, die war eine Fehlentscheidung, die zweite hingegen berechtigt, weil er sich nach einem verlorenen Zweikampf zu einem Notfoul hinreißen ließ (62.). Und Leon Bailey, der bereits Anfang November wegen einer Tätlichkeit im Spiel gegen Mönchengladbach vom Platz geflogen war, schlug nach 77 Minuten seinem Gegenspieler Kingsley Ehizibue ins Gesicht und sah erneut Rot.

Als alles vorbei war, konnten die Leverkusener ihren Zorn über den Jamaikaner nur mit Mühe unter Kontrolle halten. „Bei ihm fehlen mir ein bisschen die Worte“, sagte Sport-Geschäftsführer Rudi Völler, und Bosz ergänzte: „Es ist deutlich, dass er der Mannschaft nicht hilft, das werden wir mit ihm besprechen.“

Mit zwei Spielern mehr auf dem Platz köpfte Sebastiaan Bornauw das 2:0 (84.) – nach einem Freistoß des eingewechselten Altmeisters Marcel Risse, der zwar in manchen Situationen etwas steif und langsam wirkte, der aber schon den ersten Treffer mit einem schlauen Heber eingeleitet hatte. „Wir sind in einer Situation, in der wir Emotionen ausleben müssten“, sagte Horst Heldt, denn die emotionale Wucht ist jene Kraft, die in Köln immer größer sein wird als in Leverkusen.