Grüne Umschulung möglich

Viele Menschen haben Angst, mit dem Kohleausstieg ihre Arbeitsplätze zu verlieren. Dabei entstehen durch erneuerbare Energien viele neue Jobs

Von Tim Bader
und Daniel Beigel

Trauer, Frust, Ratlosigkeit: Das steckte in den Weihnachtspaketen für über 2.600 Beschäftigte des letzten aktiven Bergwerks Prosper-Hainel im Ruhrgebiet, das im Dezember vergangenen Jahres den Betrieb eingestellt hat. Viele hatten ein Horrorszenario vor Augen: Arbeitslosigkeit. Seit der Jahrtausendwende sind bereits nahezu 80 Prozent der Stellen, also knapp 100.000, in der Kohleindustrie abgebaut worden.

Aber die Lage ist nicht ganz so ausweglos. Ein Beispiel dafür ist Heiko Nagel, der als Qualitätsprüfer in einem Kernkraftwerk der EnBW arbeitet. Er musste akzeptieren, dass er seinen Job nach 2022 so nicht mehr ausüben kann.

Der Klimawandel mag zwar Arbeitsplätze kosten, schafft aber auch neue Jobs und sogar ganze Branchen. 2016 gab es bereits über 330.000 Beschäftigte im Bereich der erneuerbaren Energien, also fast drei Mal so viel wie im Jahr 2000. Auch auf globaler Ebene gibt es einen deutlichen Zuwachs von rund 2.7 Millionen Stellen seit 2012. Da Heiko Nagel die Hoffnung hatte, dass der Markt der erneuerbaren Energien auch ihm eine Zukunft bietet, bewarb er sich betriebsintern auf eine Stelle des neu gegründeten Startups ChargeHere, das intelligente Ladelösungen für Parkflächen anbietet.

Laut Forschungen des Weltklimarats werden Branchenzweige wie nachhaltige Mobilität, andere Teile der Energieerzeugung und Industrietechnik zunehmend an Bedeutung gewinnen. Allein schon für den Betrieb von Windkraftanlagen werden eine Vielzahl von Ingenieur*innen, Informationstechniker*innen, Elektrotechniker*innen und Energietechniker*innen benötigt. Doch das ist bei weitem noch nicht alles.

Auch in anderen Sektoren wie zum Beispiel Gebäudetechnik werden innovativ denkende Menschen gebraucht, die uns helfen, klimagerechte Normen einzuhalten. Weil die Energieversorgung in der Zukunft immer dezentraler organisiert sein wird, wird möglicherweise jeder die Chance haben, einen Arbeitsplatz an seinem Wohnort zu finden. Heiko Nagel hatte das Glück, keine Umschulung machen zu müssen. Dennoch hat er an mehreren Weiterbildungsmaßnahmen teilgenommen, um seinen neuen Beruf richtig ausüben zu können. Aber wie läuft so ein Berufswechsel eigentlich ab?

An einer Umschulung kommt man in den meisten Fällen nicht vorbei. Oft kann aber auch eine einfache Weiterbildung den Einstieg in die erneuerbare Energiebranche ermöglichen. Der Staat bietet dafür Förderprogramme wie den Bildungsgutschein an. Er übernimmt die Kosten für Umschulungen, wenn so Arbeitslosigkeit verhindert werden kann. In Heiko Nagels Fall übernahm sein Unternehmen die Finanzierung.

Die Angst vor Arbeitslosigkeit wegen des Kohleausstiegs ist somit in den meisten Fällen unbegründet. Laut Heiko sei es wichtig, die Veränderung hinzunehmen und offen für Neues zu sein. „Jeder muss seine eigene Zukunft gestalten“, sagt er.

Beide Autoren sind Studenten der EnBW