wortwechsel
: Völker, hört …
die neuen Reden!

Der Parteitag der SPD weckt Hoffnungen – auf alte sozialdemokratische Zeiten. Aber auch viel Skepsis. Ist das alles mehr als nur ein Personalaustausch? Und wohin driftet die CDU?

Vorwärts! Ein Babystrampler aus dem „Image Shop“ auf dem Parteitag der SPD in Berlin unter dem Motto: „In Die Neue Zeit“ Foto: Stefan Boness/Ipon

„SPD-Parteitag und Große Koalition: Spiel mit hohem Risiko“,

taz vom 8. 12. 19

Menschenfreundlicher

Schade, dass so viel Zeit vergehen musste, bis der Hofstaat des „großen Reformkanzlers“ abgetreten ist, um endlich wieder die der Tradition entsprechende, von Vernunft, Gemeinsinn und sozialem Frieden getragene Politik zu ermöglichen und die damals aus der Geltungssucht der stets lukrativ von „hochrangigen Wirtschaftskreisen“ hofierten Herren Schröder und Clement betrogenen Stammwähler samt ihren Nachkommen und Gesprächspartnern versöhnen zu können. Hartz IV grundlegend umzukrempeln ist in der Tat die erlösende Aufgabe des neuen, wohltuend uneitel und sachbezogen auftretenden Bundesvorstands einschließlich dem eigentlichen Retter der SPD: Kevin Kühnert. Ich traue den neuen Vorsitzenden zu, die Philosophie hinter der Arbeitsvermittlung menschenfreundlicher zu machen. Dann könnte auch endlich der Unfug entfallen, die Hartz-IV-Empfänger immer wieder zu vielen aussichtslosen Bewerbungsschreiben zu zwingen, die bei den Adressaten im Altpapier landen.

Alfred Mayer, München

Befreiungsschlag

Ja, selbstverständlich ist das neue Führungsduo ein Befreiungsschlag – auf den Kopf Gerd Schröders.

Ja, die neuen Ziele „Bürgergeld“ und „Mindestlohn“, ja sogar „Kinder­geld“gehen in die richtige Richtung, sind längst überfällig, wenn auch niemand weiß, wie das alles finanziert werden soll. Und genau das ist die Krux.

Es labert sich leicht, wenn man nichts halten muss, nichts halten kann, nichts halten will. Man muss nicht, weil man dazu erst mal die ganzen Hartz-IV-Urheber in die Wüste schicken müsste und weil das Geld dafür sowieso nicht reicht, man kann nicht, weil man mit 10-prozentigen Wahlergebnissen dafür zu schwach auf der Brust ist, und man will nicht, weil man in der Regierung bleiben will. Ich bin sozialer Demokrat – auch nach dem Parteitag noch vertrieben und heimatlos.

Michael Maresch, München

Es geht um die CDU!

Es wird bei dem ganzen Gerangel um die SPD geflissentlich vergessen, dass es die CDU, obwohl die immer gleichen großen Töne spuckend, viel mehr betrifft als die Genossen. Hellrot kann die Union noch beherrschen und aussaugen, bei Grün ist das programmatisch kaum noch möglich, und Blau würde den Spieß gleich ganz herumdrehen. Die SPD ist nicht mehr wichtig, es geht jetzt um das gefährliche Chaos im Zuge des nahenden Niedergangs der Union! Stefan Weidle auf taz.de

Zukunft geht anders

Ich bin jetzt mal sehr hart: Eigentlich braucht man die SPD – Historie hin oder her – nicht mehr. Die Linke, die Grünen und selbst die CDU haben viele ehemals sozialdemokratische Positionen voll übernommen. Und in der jetzigen Struktur der Führungsriege kommt „Umverteilung“ sehr oft vor, aber Zukunftsthemen bleiben vollends auf der Strecke. Meine Gegenposition: Wir müssen in die Zukunft investieren. Nur dann entstehen Rendite durch erhöhte Steuereinnahmen, mehr Jobs und Sicherheit unseres Systems. Verteilorgien und Pseudogerechtigkeitsdebatten gelten moralisch als gut, aber führen uns nur in eine Sackgasse. Wir haben viel zu wenige Pragmatiker, Unternehmer, Handwerker und Selbstständige in politischen Ämtern, aber viel zu viele Theoretiker und auch Versager, die via Parteibuch in Amt und Würden geraten und wirtschaftlich „absahnen“. Sven Jösting, Hamburg

Zurück zum Wähler

In diesem Artikel wird mal wieder von der Prämisse ausgegangen, dass Politik ein Spiel zwischen Politikern ist: Was macht AKK, die Union? Wie agiert die Parteiführung? Wie gut kann die verhandeln? Et cetera, et cetera …

Völlig ausgeblendet wird mal wieder das Wichtigste in der Politik: die Wähler.

Die SPD hat sich von ihren Wählern immer weiter entfernt und liegt deshalb jetzt bei 10 bis 15 Prozent. Mit diesen Parteivorsitzenden, diesem Parteitag und den Beschlüssen dort hat der Weg zurück zum Wähler begonnen. Kendi auf taz.de

Nur ein Personaltausch

Die neue Parteispitze wird der SPD keinerlei positive Veränderungen bringen. Denn es reicht absolut nicht, wenn man einfach nur das Personal austauscht, die inhaltlichen Probleme aber unausgesprochen bleiben. Daher wird der Partei weiterhin kein erfolgreicher Neustart gelingen, sondern die schwierige Lage der Partei bleibt fortan bestehen. Vielmehr braucht die SPD Mut zur Innovation in ihrem parteipolitischen Gedankengut.

Julia Engels, Elsdorf

Seltsame Weihnacht

Norbert Walter-Borjans (Nowabo) und Saskia Esken sollen die SPD in Deutschland als Doppelspitze im Geiste von Willy Brandt und Johannes Rau erneuern. SPD-Weihnachtsgeschenke sollen wieder sozial und nicht mehr asozial sein. Meine Prognose: Am Ende wird die CDU/CSU die Annahme der SPD-Reformpakete verweigern und die Groko 4.0 damit platzen lassen. In diesem Sinne: Schöne Bescherung und schönes neues Wahljahr 2020!

Roland Klose, Bad Fredeburg

Im Schneckentempo

„SPD-Parteitag: Viele Wege führen zum 12-Euro-Lohn“, taz vom 10. 12. 19

Die Mindestlohnentwicklung, im Augenblick im Schneckentempo mit wenigen Cent Steigerungen, ist weit davon entfernt, dass Arbeit allen Menschen eine gesicherte Lebensexistenz bietet.

Das Grundgesetz ist weder zu verwechseln mit linker Politik, noch schafft ein Blick in die Vergangenheit Klarheit.

Die 12 Euro sind ein unabdingbares Ziel, notwendig für 9 Millionen arbeitende Menschen, die in einem volkswirtschaftlich reichen Land leben müssen.

Thomas Bartsch-Hauschild, Hamburg