Erster Erfolg ganz unten

Team der Woche: Der 1. FC Union kann endlich mal wieder gewinnen. Nach zwei Abstiegen begeistert er seine Fans in der Oberliga mit einem 2:1 gegen den Berliner AK

In Deutschland geht es wieder aufwärts. Zumindest in Köpenick und das auch noch bei strömendem Regen. „Ujon is wieda ohm“ (auf deutsch: „Union ist wieder oben“) skandierten schwankende Gestalten an der „Union Tanke“ am S-Bahnhof Köpenick. Passanten stellten sachlich richtig, weil nüchtern fest, dass es sich bei den Sängern um siegestrunkene Anhänger des 1. FC Union handeln musste, jener unglücklichen Fußballgilde aus der Wuhlheide, die nach zwei Abstiegen in Folge in der Amateuroberliga gelandet ist.

Die Partitur für die ungewohnten Jubelarien hatte zuvor die Union-Mannschaft geschrieben, als sie vor 6.500 Zuschauern zum Saisonauftakt den Berliner AK mit 2:1 besiegte. „Das war Gänsehaut pur. Heute war mehr los als in Bundesligastadien mit Laufbahn“, sagte verblüfft der Union-Neuzugang Jörg Heinrich, der 1996 mit Deutschland immerhin Europameister und ein Jahr später mit Borussia Dortmund sogar Weltpokalsieger geworden ist.

In der Tat: Im „Löwenkäfig“ des Stadions Alte Försterei, wo die Fans dicht an der Außenlinie des Spielfeldes sitzen, ohne stimmungstötenden Leichtathletik-Tartan zwischen sich und den Akteuren, herrschte eine elektrisierende Aufbruchatmosphäre. Die geschundenen Anhänger der „Eisernen“ wollten offenbar den angestauten Frust der vergangenen Jahre in 90 Minuten abschütteln.

Das Hexenkessel-Feeling in der Wuhlheide schien jedoch zunächst die Gäste zu beflügeln. Mit technisch feinem Passspiel stürzte der BAK, angefeuert von 20 Supportern, den Topfavoriten von einer Verlegenheit in die andere. Trotzdem gingen die Hausherren in Führung. Tobias Kurbjuweit traf nach 33 Spielminuten sozusagen aus dem Nichts. „Mir fiel der Ball vor die Füße, da dachte ich: Zieh einfach ab“, schilderte der Schütze das spontane Glücksgefühl beim Treffer aus 14 Meter Entfernung. Der Ausgleich durch Maurice Jacobsen nach mustergültigem Konter entlockte sogar Union-Fans lobende Anerkennung (37.).

„Danach ging uns der Saft aus“, klagte Christian Backs, Trainer des Weddinger BAK, und machte „fehlende Männlichkeit“ für die schwindende Gegenwehr seiner Feierabendkicker verantwortlich. Jetzt erst wurde Union seiner Favoritenrolle gerecht, die Mannschaft suchte die Flucht nach vorn. Vor allem der frühere Italien-Profi Heinrich, einst in Florenz unter Vertrag, kurbelte die Offensive an. „In den Luftkämpfen waren wir klar unterlegen“, haderte Backs. Folgerichtig erzielte Heinrich nach einer Kopfballvorlage das Siegtor für den Gastgeber (65.).

„Es war das erwartet schwere Auftaktspiel gegen einen fast ebenbürtigen Gegner“, sagte Union-Trainer Frank Lieberam. Er redete von einem Faden, den sein Team zwischenzeitlich verloren habe, und dass alle folgenden Aufgaben in der Oberliga ebenso schwer würden.

Fast hätten besorgte Ordner einen Heizlüfter besorgen müssen, derart unterkühlt wirkte die Analyse des Mannes aus Halberstadt, der gar nicht kompatibel wirkte mit der mediterranen Stimmung im Stadion.

Lieberam akklimatisierte sich erst, als er sein bleiernes Statement durch ein persönliches Bekenntnis auflockerte. Gefragt nach den Gründen für seinen angedeuteten Veitstanz an der Außenlinie in der ersten Halbzeit, antwortete er: „In mir brodelt immer ein Vulkan, der dann ausbricht, wenn’s nicht läuft.“ Da jubelte sogar das Volk in der angrenzenden VIP-Loge, die bei Union nur durch eine dünne Zeltwand vom Presseraum getrennt ist. JÜRGEN SCHULZ