Ausgehen und rumstehen von Jan Jekal
: Drei Stunden versunken im Caravaggio-Universum

Zu sagen, dass das CineStar-Kino am Potsdamer Platz zu meinen liebsten Orten der Stadt zählt, ist ein bisschen so, als würde ich zugeben, dass mein Lieblingsrestaurant in Berlin das Vapiano im Europa-Center ist. Tja nun: Seit ich mich vor sieben Jahren, gerade hierher gezogen, das erste Mal in diesem stählernen, gläsernen Bauensemble namens Sony Center wiederfand, staunend vor so viel Großstadt, und dann das CineStar begeistert betrat, wissend, dass all die Filme, die hier laufen, im Original gezeigt werden, dass ich also nicht länger, wie noch in meiner kleinen Heimatstadt, darauf angewiesen war, Blockbusterfilme in synchronisierter Fassung zu sehen, seitdem bin ich ungefähr jeden Monat einmal dort gewesen, um mir einen großen Hollywoodfilm – jene, für die sich Programmkinos schämen würden – anzuschauen. Es hat mir, trotz durch nichts zu rechtfertigender Preise, große Freude bereitet.

Seit einiger Zeit gehe ich auch zur Sneak Preview, die sie im CineStar besonders nett gestalten, mit Quiz und allem. Man bekommt also einen Film, der erst in einigen Wochen startet, schon vorab zu sehen, ohne aber vorher zu wissen, um welchen es sich handeln wird. So bin ich zum Beispiel in den Genuss der Film-Noir-Farce „The Happytime Murders“ gekommen, dem vielleicht schmutzigsten Film, den ich je gesehen habe, der auch dadurch nicht weniger schmutzig wurde, dass seine ganzen Sexual- und Gewaltakte von Muppet-haften Handpuppen vollzogen wurden.

Nun wurde angekündigt, dass das CineStar-Kino am Potsdamer Platz zum Ende des Jahres schließen wird. So läuft es, wenn man länger an einem Ort ist. Läden machen auf, Läden machen zu. Wenn es um Kinos geht, machen sie eher zu als auf. In den letzten Jahren haben einige Kinos dichtgemacht, allerdings keine, die ich regelmäßig besucht habe. Ich dachte nicht, dass mein erster Kino-Verlust dieses Riesenkino sein würde. Also noch einmal hin in den letzten Tagen des Kinos und in den letzten Tagen des Jahres. Zur Classic Sneak, die ich noch gar nicht kannte. Da zeigen sie einen Filmklassiker, und natürlich weiß man wieder vorher nicht, welchen man sehen wird. Vor dem Film ein schnelles Abendessen in der Mall of Berlin. Das ist immer das Problem am Potsdamer Platz; keine guten, günstigen Orte, um vor oder nach dem Kino etwas zu essen oder zu trinken und über den Film zu reden. Sondern nur Orte wie die Mall of Berlin. Wir entscheiden uns also für die oberste, Foodcourt genannte Etage des Einkaufszentrums, sitzen zwischen Pizza Hut und Pommesfreunde, an der Seite läuft Leuchtreklame, vor Saturn spielt der Posaunenchor „O Tannenbaum“.

„Gute Wahl“, sagt der Kartenverkäufer dann später, als ich die Karten kaufe. „Heute zeigen wir einen super Film.“ In der Tat. Sie zeigen den „Paten“. Ein idealer Film fürs Kino, denn ein dreistündiges Epos würde ich zu Hause kaum ohne Unterbrechung und ohne Blick aufs Handy schauen. Im Kinosaal aber geht es nicht anders, der dunkle Raum umarmt einen, der Film entfaltet seine ganze Kraft, und man versinkt in den todschwarz getränkten, Caravaggio-haften Bildern. Erst nach drei Stunden wird man wieder entlassen.

Vor dem Film das Quiz („Wie heißt die Hauptfigur von ‚Frühstück bei Tiffany’?“), man kann Karten gewinnen – und wir gewinnen welche. Die Classic Sneak gefällt mir fast noch besser als die normale Sneak, denke ich. Einen Film wie den „Paten“ auf großer Leinwand zu sehen, ist etwas anderes, als „The Happytime Murders“ im großen Saal zu schauen. Am Ende vom Quiz, als alle Freikarten verteilt sind, sagen sie, dass dies die letzte Classic Sneak sein wird. Schade, ich bin zum ersten Mal hier.