Nils Schuhmacher
Hamburger Soundtrack
: Wahrheit und Wahnsinn

Mit der Lüge verhält es sich so, dass sie zur Wahrheit wird, „wenn jeder daran glaubt“, wie die längst verblichene Hamburger Punkband Torpedo Moskau anmerkte. Ob das nun gut ist oder schlecht, hat sehr wesentlich mit dem Kontext zu tun, auf den man das bezieht. Im Pop jedenfalls werden die Grenzen oft, und offenbar absichtlich, verwischt. Im wahren Leben drohen gleich Amtsenthebungsverfahren und gesellschaftliche Ächtung, nur weil man mal ein kreatives Verhältnis zur Realität hat. Im Pop erhält man hingegen Anerkennung, wenn eine Platte „Wahrheit und Lüge zugleich“ ist.

Zum Beispiel die Gruppe Silly (7. 12., Laeiszhalle). Zum Beispiel von concert-news.de. Die Band legte in einem Song auch gleich noch nach, indem sie feststellte: „Lügen legen die Unschuld in Scherben“. Aber man soll eben nicht herausfinden, ob das jetzt als Warnung oder programmatisch gemeint ist.

Gleich ein ganzes Album haben diesem Zusammenhang The Flying Luttenbachers (15. 12., Künstlerhaus Faktor) gewidmet. „…The Truth Is a Fucking Lie…“ erschien 1999 und war bereits die achte Platte des 1991 in Chicago gegründeten, 2007 aufgelösten und 2010 neu gegründeten Ensembles. Von einer Band zu sprechen, wäre etwas gelogen. Eher handelt es sich um ein Kollektiv wechselnder Personen, die Schlagzeuger Weasel Walter um sich schart.

Und auch das Ergebnis dieser Kollaborationen fällt unterschiedlich aus. Im Ursprung sehr deutlich dem Noise verhaftet, widmete man sich in einer Zwischenphase dem Free Jazz, um schließlich alles zu einer – mehr oder weniger erkennbar strukturierten – Kakophonie des Lärms und Unbehagens zu verschmelzen. Auf der Basis jener Instrumente, die gerade zur Hand sind. Weasel Walter wurde vom Rolling Stone mal „monolithischer, mürrischer Brocken aus Furcht und Wahnsinn“ getauft.

Und das ist insofern wahr, als die Sache genauso klingt. Nun hat die neue Version der Gruppe nach zwölf Jahren ein neues Album vorgelegt. „Shattered Dimension“ vereint unfröhliche Momente, dröge Flächen, Symphonisches und Verängstigendes, Free Jazz, Grind, Noise. Und es tut selbstverständlich weh. Wäre es ein Zitat, man fände es in den Auslaufrillen der ersten Fehlfarben-LP: „Glaubt nichts“, „Wir glauben auch nichts“.