Neues im Norden

Ungewohnte Arroganz demonstriert Werder Bremen beim lockeren 5:2-Erfolg gegen Arminia Bielefeld

BREMEN taz ■ Vermessenheit gehört bislang nicht zu den Tugenden, die Werder Bremen ausmachen. Bislang hielt man sich in der Hansestadt vornehm zurück. Umso erstaunlicher klingt die knappe Auswertung des angenehm sensationsfaulen Werder-Trainers Thomas Schaaf nach dem 5:2-Erfolg gegen Arminia Bielefeld: „Wir haben noch viel Platz nach oben.“ Was nicht ganz stimmt, wenn man sich Bremens Tabellenpositionierung nach dem samstäglichen Spieltag anschaut: Platz eins.

Dennoch scheinen auch die Fans endgültig verstanden zu haben, dass in Bremen neuere Töne und mitnichten mindere Ziele angesagt sind. Nach 78 Minuten, beim Spielstand von 3:2 für Bremen wurde der erste längere Rückpass ihres Teams von den Zuschauern mit lautstarken Unmutsäußerungen begleitet. Nur sieben Minuten später jedoch war die unverhältnismäßige Erwartungshaltung gestillt. Die beiden spiellaunigen Stürmer Ivan Klasnic und Miroslav Klose beruhigten die aufgekratzten Gemüter mit ihren jeweils zweiten Treffern in der 82. und 84. Minute und stimmten den bis dahin tatsächlich übellaunigen Chor in ein „Deutscher Meister wird nur der SVW“ um. Als Geschäftsführer Klaus Allofs anschließend verriet, beim Torstand von 4:2 gedacht zu haben „eines müssen wir noch machen“, um sich vor die Bayern an die Tabellenspitze zu setzen, kannte die neue Überheblichkeit der Bremer kaum Grenzen.

Nach dem vergangenen titellosen Jahr soll in dieser Saison unbedingt wieder eine Trophäe gewonnen werden. Auf diese Vorgabe stößt man bereits beim Stöbern durch die Spezialausgabe des Werder-Magazins zum Saisonstart. Es ist kaum eine Seite zu finden, auf der das Wort Meisterschaft oder Titel nicht auftaucht. Am charmantesten wird dieses neumodische Selbstbewusstsein noch von Thomas Schaaf umschrieben: „Unser Kader umfasst nicht 25 Mann, nur um die Dusche voll zu kriegen.“ Nein, auf jeder Position ist Bremen doppelt und so gut besetzt, dass auch „mehr als Platz drei möglich“ ist, soll den Fans gesagt werden. Dabei haben mit Fabian Ernst und Valerien Ismael zwei Stützen der vergangenen zwei Jahre den Verein verlassen.

Hört man auf den Rückkehrer aus München, Torsten Frings, glaubt man den Spieler gefunden zu haben, der für das auferlegte Selbstwertgefühl mitverantwortlich ist: „Es stimmt, dass die Bayern einfach eine gewisse Arroganz an den Tag legen. Diese Arroganz braucht man, um ganz nach oben zu kommen.“

Demnach ist Frings gegen Bielefeld mit einer gehörigen Portion Arroganz aufgelaufen. Im rechten Mittelfeld hinterließ er im typischen Schaaf’schen 4-4-2-System einen starken Eindruck. Dennoch ist das Mittelfeld, wenngleich mit Vranjes, Baumann, Borowski, Frings und Micoud auch taktisch variabler als im Vorjahr, nicht so stark einzuschätzen, wie die Bremer Offensive, in der sich Valdez, Hunt, Zidan, Klose und Klasnic auf den Füßen rumstehen.

Wesentlich mehr Arroganz sollte die Bremer Hintermannschaft an den Tag legen. Bezogen auf die Defensive werden die sonst forschen Töne der Bremer nach den zwei Gegentoren ein wenig leiser. „Viele Dinge greifen noch nicht so ineinander“, stellt Allofs fest und Schaaf beklagt „einige Nachlässigkeiten“, weswegen Bielefeld zu Toren gekommen sei. Dennoch möchte Thomas Allofs „nach dem ersten Spieltag noch nicht von einer Problemzone sprechen“. Selbst wenn der aus Brasilien gekommene Ersatz für Ismael, Naldo, die Erwartungen bei seinem ersten Einsatz nicht erfüllen konnte. „Darüber sind wir nicht überrascht, wenn wir mit einem Innenverteidiger spielen, der erst seit wenigen Tagen in Bremen ist“, stellt Klaus Allofs fest. Ismael vermisse er nicht, „der spielt ja immer nur 40 Minuten“, spaßt er zerknirscht über den Platzverweis des Franzosen bei seinem ersten Auftritt für die Bayern. Von Naldo werde nach einer Eingewöhnungszeit noch eine Menge zu sehen sein, hofft Allofs.

Ansonsten sollte der Verantwortliche seine Hoffnungen im neuen Papagei-Outfit suchen. Als die Fans letztmalig zu Beginn einer Saison offensiv gegen das grässliche Orange im Trikot protestierten („No Orange! Bremen ist Grün-Weiß“), holten die Bremer das Double. OKE GÖTTLICH