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Esther Slevogt betrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen

Der Schriftsteller und Regisseur Thomas Brasch starb viel zu früh im November 2001. Da war er 56 Jahre alt. Eine legendäre Figur, ein gebranntes Kind des 20. Jahrhunderts, der auch ein gewaltiges und kaum bekanntes lyrisches Werk hinterließ. Auf dieses Werk ist die Sängerin Masha Qrella gestoßen, hat es vertont, einzelne Texte in ein musikalisches Zwiegespräch verwandelt. So entstand ihre Performance „Woanders“. Mit Brasch teilt Qrella eine Herkunft aus dem kommunistischen Hochadel der DDR. Masha Qrellas musikalische Interpretationen der Gedichte von Thomas Brasch sind jetzt im HAU zu sehen und vor allem zu hören. (HAU2: „Woanders“, 5.–7. 12., jeweils 20 Uhr).

Wer mehr über die 1975 geborene Masha Qrella erfahren möchte, die aus der Familie von Alfred Kurella stammt, kann am 11. 12. ins Deutsche Theater gehen, wo Masha Qrella Gast bei „Popsalon meets Müllersalon“ ist und ein Gespräch u. a. mit Jens Balzer führen wird. (Deutsches Theater/Bar: „Popsalon meets Müllersalon“, 11. 12., 21 Uhr).

Gebrannte Kinder waren auch die Frauen, die die Dramatikerin Tine Rahel Völcker in ihrem neuen Stück „Frauen der Unterwelt. Sieben hysterische Akte“ in Erscheinung treten lässt: sieben Frauen, die durch Gewalt, Diskriminierung oder Armut psychisch krank geworden sind – oder weil sie schlicht anders als die anderen waren und versuchten, gegen die ihnen auferlegten Grenzen zu rebellieren. So landeten sie in der sogenannten Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein, wo sie dann von den Nazis als „lebensunwertes Leben“ ermordet wurden. Tine Rahel Völcker inszeniert ihr Stück mit einem weiblich-queeren Ensemble im Ballhaus Ost selbst – und gibt damit ihr Debüt als Regisseurin (Ballhaus Ost: „Frauen der Unterwelt. Sieben hysterische Akte“, 7. & 8. 12., jeweils 20 Uhr).

Im Berliner Ensemble hat ein Stück des österreichischen Schriftstellers Karl Schönherr Premiere, der von 1867 bis 1943 lebte. Schönherr steht für ein radikales, literarisches Volkstheater, bei dem nicht immer leicht erkennbar ist, ob es auf die völkischen Abgründe nur hinweist oder bereits hineingefallen ist. Das Stück „Glaube und Heimat“, das im BE nun Michael Thalheimer inszeniert, handelt von zwei ideologisch kontaminierten Begriffen, deren Emissionen gerade mal wieder die Gegenwart verpesten. Basis des Dramas, das in drastischer Weise anschaulich machte, wie Religion zu Gewalt führen kann und auch Christen einander vertreiben und töten, ist die Vertreibung der österreichischen Protestanten im Jahr 1837 (Berliner Ensemble: „Glaube und Heimat“, Premiere 5. 12).

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