ZU BESUCH BEI AFFENFORSCHERN IN ABCHASIEN
: Souverän dank Pavianen

Nebensachen aus Suchumi

von Klaus-Helge Donath

Der Anstieg durch die dichte subtropische Pflanzenwelt ist auch im Herbst noch schweißtreibend. Hoch oben über der abchasischen Hauptstadt Suchumi mit Blick auf das Schwarze Meer liegt, verborgen hinter Farnen prähistorischer Dimensionen und üppigen Palmen, einer der Beweise, warum die von Georgien abtrünnige Republik nicht nur ein souveräner Staat ist, sondern dies auch zu Recht verdient.

Zumindest sehen es die Mitarbeiter des Forschungsinstituts für experimentelle Pathologie der Akademie der Wissenschaften Abchasiens und Suchumis Bewohner so. In den Jahren des Sezessionskrieges und den anderthalb Dekaden internationaler Isolation verkörperten die Affen im Versuchslabor des Instituts gleichsam den abchasischen Selbstbehauptungswillen. „Wir bauen einen Staat, und ein Staat kann nicht ohne Wissenschaften und Universitäten existieren“, meinte Professor Wladimir Barkaja am Vorabend des Georgienkrieges trotzig.

Inzwischen hat Russland die Republik anerkannt. Für Wissenschaftler und Affen eine Chance zu neuen Kontakten. In den Zeiten der Wirren schrumpfte der Bestand der Versuchstiere von einst mehr als tausend auf 250 und auch die Forschungsrichtung änderte sich wegen fehlender Mittel. Kostenneutralere Studien über posttraumatische Krisenbewältigung bei Pavianen ersetzten solche in Immuno- und Virologie. Nach dem Krieg litten auch die Primaten an schweren Depressionen, was sich vornehmlich in ausbleibender Lust zur Reproduktion äußerte.

Mit der veränderten Sicherheitslage heute kehrt langsam das Verlangen zurück. Das Institut war einst eine sowjetische Zukunftsschmiede. In den 1950er-Jahren wurden die Äffchen Dremja und Jerescha auf die Eroberung des Kosmos im Biosputnik vorbereitet. Das Denkmal eines Mantelpavians aus Granit vor den Zwingern zeugt von der Wertschätzung des Sowjetvolkes, das sich per Inschrift für Aufopferungsbereitschaft im Kampf gegen tödliche Krankheiten und ewigen Ruhm bedankt. Mantelpaviane sind nun mal hochgradig soziale und aktive Tiere. Nicht zufällig verehrte das alte Ägypten in Tehut den Gott der Wissenschaften in Paviangestalt.

In der atheistischen Sowjetunion reichte es dann nur noch zur ausführenden Rolle. Nun ja. Eigentlich hatte Diktator Josef Stalin, der das Institut in den 1920ern gründete, Größeres vor. In den geheimen Labors sollte der Biologe Ilja Iwanow aus der Kreuzung von Mensch und Affe den „neuen Menschen“ schaffen: widerstandsfähiger, ausdauernder, anspruchsloser. Die Individuation – sozusagen – rückgängig machen und den degenerierten eigensinnigen Homo Sapiens in eine Kriegs-Arbeits-Maschine verwandeln.

Dass die unterschiedliche Chromosomenzahl der Kreuzung entgegensteht, war noch unbekannt. Iwanow hielt den Menschen für einen besseren Affen und Schimpansen für minderbegabte Kinder mit ausgeprägter Aufmerksamkeitsschwäche, dem ADS-Syndrom (Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom), über das Pädagogen heute laut klagen. Experimentierfreudige Sowjetfrauen fanden sich sogar. Doch verendete der Samen spendende Orang-Utan vor dem Akt. Damit starb auch das Vorhaben, mit Hilfe der Affenmenschhoden Stalin unsterblich zu machen. Die Abchasen können von Glück sagen.