brief des tages
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Den Willen brechen als Kassenleistung

„Die Willenbrecher“, taz vom 16./17. 11. 19

Willenbrecher gibt es leider im Osten wie im Westen. Man muss sich nur den Film „Elternschule“ genau anschauen, um zu sehen, wie Willenbrechen bei Kindern sogar von den Kassen bezahlt wird, auch in Gelsenkirchen. Und das wird von der Mehrzahl der Eltern und Erzieherinnen beklatscht. So muss man nicht genau hingucken und kann gleichzeitig die Demütigung, die man möglicherweise selbst als Kind erfahren hat, als Erwachsene Macht über einen hatten, weitergeben, indem man nun selbst Macht ausübt.

Leider sind solche „Anstalten“ oft ein Sammelbecken von Leuten, die an den Kindern ihr Machtbedürfnis ausleben. Und der sich nach außen zeigende schnelle Erfolg – die Kinder folgen, wenn der Willen durch Angst gebrochen ist – scheint einem erst mal recht zu geben. Die Frage, ob Kinder gute Gründe haben, nicht zu „funktionieren“, muss nicht gestellt werden. Wenn wir uns die Ergebnisse der neueren Bindungsforschung anschauen würden, wüssten wir, dass Kinder, die nicht funktionieren, tiefliegende Gründe dafür haben. Wir müssen uns die Mühe machen, das zu verstehen. Das passiert aber kaum. Wie schrecklich ist das! Elisabeth Raffauf, Köln